Leitsatz (amtlich)
Fällt der Auftag für ein selbständiges Beweisverfahren noch unter die Geltung der BRAGO, wurde aber der Auftrag für die Vertretung in der Hauptsache erst unter der Geltung der RVG erteilt, so bestimmt sich die Prozessgebühr für das Beweisverfahren nach der BRAGO, die Verfahrensgebühr für das Hauptsacheverfahren nach RVG, wobei eine Anrechnung der Prozessgebühr auf die Verfahrensgebühr vorzunehmen ist (Vorbem. 3 Abs. 5 RVG-VV).
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Beschluss vom 11.07.2006; Aktenzeichen 1 O 70/05) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim LG Ravensburg vom 11.7.2006 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Beklagten deren außergerichtliche Kosten zu erstatten.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 1.143,06 EUR.
Gründe
1. Aufgrund der Kostenentscheidung im Urteil des LG Ravensburg vom 11.4.2006 hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu tragen; diese trägt die Klägerin.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 9./10.5.2006 hat die Klägerin u.a. die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr von 985,40 EUR zzgl. 157,66 EUR MwSt. beantragt.
Die Rechtspflegerin hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.7.2006 die Verfahrensgebühr abgesetzt. Sie ist der Ansicht, dass auf diese die in dem nach BRAGO abzurechnenden selbständigen Beweisverfahren angefallene Prozessgebühr (aus 78.000 EUR) i.H.v. 1.200 EUR anzurechnen ist.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 19.7.2006 zugestellten Beschluss wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde vom 2.8.2006. Die vorgenommene Anrechnung widerspreche dem Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 5 RVG-VV und sei auch nicht durch eine Analogie dieser Vorschrift zu rechtfertigen. Anzurechnen sei danach die Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Rechtszugs. Die Anrechnung einer in einem selbständigen Beweisverfahren nach BRAGO angefallenen Prozessgebühr auf die später im streitigen Verfahren nach RVG anfallende Verfahrensgebühr sei demnach vom eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt. Ebenso komme eine analoge Anwendung nicht in Betracht, da diese voraussetze, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthalte. Daran fehle es jedoch vorliegend offensichtlich, da der Gesetzgeber in die Übergangs- und Schlussvorschriften der §§ 60 und 61 RVG die Problematik konkurrierender Vorschriften der BRAGO und des RVG erkannt, gleichwohl keine Regelung zur Anrechnung einer früher nach der BRAGO angefallenen Gebühr auf die später angefallene Gebühr nach dem RVG getroffen habe.
Die Beschwerdegegnerin ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.
Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da die Rechtspflegerin zu Recht die nach BRAGO angefallene Prozessgebühr im selbständigen Beweisverfahren auf die nach Nr. 3100 RVG-VV im Hauptsacheverfahren angefallene 1,3 Verfahrensgebühr angerechnet hat. Nach altem Recht stellten die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen gerichtlichen Kosten, also die Gebühren und Auslagen gerichtliche Kosten des nachfolgenden Hauptsacheverfahrens dar, wenn Parteien und Streitgegenstand des Beweisverfahrens sowie des Hauptprozesses identisch waren. Nach § 37 Nr. 3 BRAGO gehörte das selbständige Beweisverfahren für die Rechtsanwaltsgebühren zum Rechtszug. Soweit Identität der Parteien und des Streitgegenstands bestand. Diese Regelung hat durch das RVG insoweit eine Änderung erfahren, als nunmehr das selbständige Beweisverfahren und das Hauptsacheverfahren zwei verschiedene Verfahren und somit zwei Angelegenheiten sind, weshalb der Rechtsanwalt in beiden Verfahren gesondert die Gebühren des RVG-VV 3100 f. RVG-VV verdient. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr nach 3100 RVG-VV bestimmt Vorbemerkung 3 Abs. 5 allerdings, dass die Verfahrensgebühr des selbständigen Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Rechtszugs angerechnet wird.
Wenn der Auftrag für das selbständige Beweisverfahren noch unter der Geltung der BRAGO erteilt wurde, der Auftrag für das Hauptsacheverfahren allerdings unter der Geltung des RVG, ist streitig, ob damit im Hinblick auf § 37 BRAGO - eine Angelegenheit - insgesamt die BRAGO Anwendung findet oder ob auf den jeweiligen Zeitpunkt der Auftragserteilung abzustellen ist, mit der Folge, dass für das selbständige Beweisverfahren die BRAGO Anwendung findet und für das Hauptsacheverfahren die RVG. Für letzteren Fall ist wiederum streitig, ob dann eine Anrechnung der nach BRAGO angefallenen 10/10 Prozessgebühr auf die 1,3 Verfahrensgebühren nach RVG zu erfolgen hat.
Die Meinung, die selbständiges Beweisverfahren und Hauptsacheverfahren insgesamt nach BRAGO a...