Leitsatz (amtlich)
›Auch nach der Aufgabe der Rechtsprechung zur Unzulässigkeit der Nebenklage im Sicherungsverfahren (vgl. BGH NStZ 2002, 275) ist in Strafverfahren gegen Jugendliche weiterhin weder die Nebenklage zulässig noch § 406 g StPO anwendbar (Fortführung von OLG Stuttgart NJW 2001, 1588 f.; entgegen OLG Koblenz NJW 2000, 2436 f.).‹
Verfahrensgang
LG Rottweil (Entscheidung vom 19.09.2002; Aktenzeichen AK 119/02 jug.) |
LG Rottweil (Aktenzeichen 12 Ns 20 Js 1656/02) |
Nachgehend
Gründe
Das gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Zu Recht hat es die Jugendkammer abgelehnt, die Nebenklage des Verletzten, vertreten durch Rechtsanwalt T. K., zuzulassen. Die Anschlussberechtigung ist in jeder Lage des Verfahrens - auch in der Berufungsinstanz - ungeachtet der früher hierzu ergangenen negativen Entscheidungen erneut zu prüfen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Auflage 2001, § 396 Rdnr. 19). Jedoch ist gemäß §§ 2, 80 Abs. 3, 104 Abs. 1 Nr. 14 JGG die Nebenklage im Verfahren gegen den zur Tatzeit jugendlichen Angeklagten (vgl. § 1 Abs. 2 JGG) unzulässig. Eine Änderung dieser Rechtslage ist weder durch die Vorschriften des Opferschutzgesetzes vom 18. Dezember 1986, noch durch die Aufgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Unzulässigkeit der Nebenklage im Sicherungsverfahren (vgl. BGH NStZ 2002, 275) eingetreten. Der Ausschluss der Nebenklage im Jugendgerichtsgesetz rechtfertigt sich aus dem Erziehungsgedanken des Jugendstrafverfahrens, der - wie sich insbesondere aus § 80 Abs. 1 JGG entnehmen lässt - den Vorrang vor den Interessen des Verletzten oder eines sonstigen Privat- oder Nebenklageberechtigten haben soll, auch wenn dieser selbst noch Jugendlicher ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 1991 - 2 BvR 1733/91 - zitiert nach juris; BGH NStZ 1996, 149, 150 am Ende; OLG Stuttgart NJW 2001, 1588; Eisenberg, JGG, 9. Auflage 2002, § 80 Rdnr. 13 f; Brunner/Dölling, JGG, 11. Auflage 2002, § 80 Rdnr. 5 jeweils mit weiteren Nachweisen). § 80 Abs. 3 JGG hat als die speziellere Vorschrift keine Einschränkung durch das Opferschutzgesetz erfahren. Insoweit kann nur der Gesetzgeber selbst durch eine Änderung des Jugendgerichtsgesetzes der Nebenklage im Jugendstrafverfahren zur Zulässigkeit verhelfen.
Soweit die Jugendkammer im angefochtenen Beschluss festgestellt hat, dass dem Verletzten (lediglich) die Rechte aus § 406 f StPO zustehen, ist der Beschluss ebenfalls nicht zu bestanden. Die Bestellung eines Beistandes für einen nebenklageberechtigten Verletzten gemäß § 406 g StPO kommt vorliegend nicht in Frage. Im Verfahren gegen einen Jugendlichen ist diese Bestimmung nicht anwendbar, weil die dort geregelten Befugnisse in einem engen Zusammenhang mit der nach §§ 2, 80 Abs. 3 JGG im Jugendstrafverfahren unzulässigen Nebenklage stehen (h.M. vgl. OLG Stuttgart NJW 2001, 1588 f.; Löwe/Rosenberg-Hilger, 25. Aufl. 2001, Rdnr. 6 vor § 406 d in Verbindung mit Rdnr. 12 vor § 395; Kleinknecht/ Meyer-Goßner a.a.O. § 406 g Rdnr. 5 a; Brunner/Dölling a.a.O. § 48 Rdnr. 17; Diemer/Schoreit/Sonnen, JGG, 3. Aufl. 1999, § 80 Rdnr. 12; Eisenberg a.a.O. § 80 Rdnr. 13 f.; Ostendorf, JGG, 5. Auflage 2000, § 80 Rdnr. 1 jeweils mit weiteren Nachweisen; a.A. OLG Koblenz NJW 2000, 2436 f.). Diese Auslegung ist auch verfassungskonform (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2001 - 2 BvR 1236/01 - unter Bezugnahme auf die oben zitierte Entscheidung des BVerfG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2962627 |
NStZ-RR 2003, 29 |
StV 2003, 66 |