Leitsatz (amtlich)
Die in § 568 BGB bestimmte Frist für den Widerspruch gegen die Fortsetzung eines Mietverhältnisses wird durch nachträgliche Zustellung einer vor Fristablauf eingereichten Klage nicht gewahrt, § 270 Abs. 3 ZPO ist nicht anwendbar.
Verfahrensgang
AG Heilbronn (Aktenzeichen 4 C 4676/84) |
LG Heilbronn (Aktenzeichen 5 S 260/85) |
Gründe
Das Landgericht hat mit Beschluß vom 20. Dezember 1985 folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Ist § 270 Abs. 3 ZPO direkt oder analog für die Berechnung der Frist des § 568 BGB anwendbar?
Zugrunde liegt ein Fall, in dem die Räumungsklage zwei Tage vor Ablauf der Kündigungsfrist eingereicht, aber erst nach zwei Monaten zugestellt worden ist.
Die Vorlage ist zulässig, Art. III Abs. 1 des dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften (BGBl. 1967 I 1248, 1980 I 657). Die vorgelegte Rechtsfrage ergibt sich aus einem Mietverhältnis über Wohnraum, sie betrifft materielles Recht. Die Frage hat grundsätzliche Bedeutung und ist, soweit ersichtlich, durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden.
Die vorgelegte Frage ist zu verneinen. Der nach § 495 ZPO auch im amtsgerichtlichen Verfahren anwendbare § 270 Abs. 3 ZPO, der zur Wahrung einer Frist die Wirkung der Klagzustellung, wenn diese demnächst erfolgt, auf den Zeitpunkt der Klageinreichung vorverlegt, kann hier weder unmittelbar, noch entsprechend angewendet werden.
Der Anwendungsbereich des § 270 Abs. 3 ZPO ist grundsätzlich auf die Fälle beschränkt, in denen die Einschaltung des Gerichts zur Wahrung einer Frist unumgänglich ist, er gilt also in der Regel nicht, wo die Frist –wie hier– auch durch formlose Erklärung gegenüber dem anderen Teil gewahrt werden kann (so zuletzt BGH NJW 1982, 172 mit weiteren Hinweisen, ebenso nunmehr der dort noch für die Gegenmeinung zitierte Stein/Jonas/Schumann, 20. Aufl., RN 44 zu § 270 ZPO).
Zwar gibt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Ausnahmen von diesem Grundsatz (BGHZ 53, 332 zu § 89 b Abs. 4 S. 2 HGB und BGHZ 75, 307 zu § 16 Nr. 3 VOB/B 1973). Er gilt dann nicht, wenn die gesetzliche oder vertragliche Regelung, aus der sich die Frist ergibt, eine derart einschränkende Anwendung von § 270 Abs. 3 ZPO entgegensteht. Das wird in der ersten Entscheidung begründet mit dem vergleichbaren Fall des § 801 BGB, in dem das Gesetz ausdrücklich die außergerichtliche und die gerichtliche Geltendmachung nebeneinander erwähnt. In der zweiten Entscheidung ist darauf abgestellt, daß die Interessenlage zu einer zurückhaltenden Anwendung jener VOB-Bestimmung nötige, und zusätzlich auf die ähnliche Rechtslage im Fall der Verjährung abgehoben.
Der vorliegende Sachverhalt ist jedoch nicht unter diese Ausnahme zu subsumieren, weder denknotwendig, noch nach dem Zusammenhang der Gründe (BGH NJW 1986, 2102). Zwar geht es um die Einhaltung einer ähnlich kurzen Frist wie in § 16 Nr. 3 VOB/B. Der wesentliche Unterschied zu jenem Fall besteht aber darin, daß die Interessenlage hier keineswegs zu einer zurückhaltenden Anwendung des § 568 BGB nötigt, daß es im Gegenteil geboten ist, anders als bei einem Anspruch auf Werklohn bei der Frage, ob ein Mietverhältnis beendet ist oder fortbesteht, möglichst rasch endgültige Klarheit zu schaffen. Deshalb ist die Relativierung dieser Frist durch Anwendung des § 270 Abs. 3 ZPO abzulehnen (vgl. zur Begrenzung der Ausnahmen allgemein BGH NJW 1982, 172 und zur Nichtanwendbarkeit des § 270 Abs. 3 ZPO im Falle einer Mieterhöhung BGH LM Nr. 32 zu § 125 BGB).
Der Senat schließt sich deshalb der in Rechtsprechung und Literatur überwiegenden Meinung an, die die Anwendbarkeit des § 270 Abs. 3 ZPO in den Fällen des § 568 BGB verneint (zum Meinungsstand u.a. Emmerich/Sonnenschein, Miete, 3. Aufl., RN 6 zu 568 BGB, Köhler, Handbuch der Wohnraummiete, 2. Aufl., § 15 RN 6, Schmidt-Futterer/Blank, Wohnraumschutzgesetze, 5. Aufl., Anm. B 765, je mit weiteren Hinweisen).
Fundstellen
Haufe-Index 1121641 |
JR 1987, 334 |