Leitsatz (amtlich)
Nach Art. 1 Abs. 2a EuGVVO ist die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von auslänfischen Titeln über erbrechtliche Ansprüche über das Verfahren der EuGVVO nicht möglich. Der Ausschluss beschränkt sich nicht auf erbrechtliche Streitigkeiten im Zuständigkeitsbereich des Nachlassgerichts, sondern bezieht sich auch auf klassische zivilrechtliche Erbrechtsstreitigkeiten, in denen über die Erbenstellung, den Erbschaftsanteil und den Nachlasswert gestritten wird.
Normenkette
EuGVVO Art. 1 Abs. 2a
Verfahrensgang
LG Ulm (Beschluss vom 01.04.2010; Aktenzeichen 3 O 76/10) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Vorsitzenden der 3. Zivilkammer des LG Ulm vom 1.4.2010 - 3 O 76/10 - aufgehoben und der Antrag des Antragstellers auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung für das Zivilurteil Nr. 10.262/2007 des Judecatoria Cluj (Gericht 1. Instanz des Kreises Cluj/Rumänien) vom 19.12.2007 als unzulässig abgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Gründe
I. Der Antragsteller hat gegen den Antragsgegner und dessen beide Schwestern in Rumänien einen Zivilrechtsstreit geführt, in dem er gegen diese als Sohn des am 2.8.1980 verstorbenen A Beteiligung am Nachlass des gemeinsamen Vaters geltend gemacht hat.
Durch Urteil des Gerichts des Kreises Cluj-Napoca/Rumänien vom 19.12.2007 wurden dem Antragsteller gegen den Antragsgegner und seine Schwestern Ansprüche auf den Nachlass zugesprochen und diese zur Zahlung von 228.689,93 Lei, entsprechend 55.908, 80 EUR, verurteilt.
Nach Zahlung eines Betrages von 201.782,40 Lei durch die Schwester des Antragsgegners Irina Nemes sind noch 26.907,53 Lei, entsprechend 6.578,19 EUR, offen.
Auf Antrag des Antragstellers hat das LG Ulm durch Beschluss vom 1.4.2010 aufgrund der EuGVVO sowie des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes AVAG wie folgt entschieden:
"Das Zivilurteil des Judecatoria Cluj-Napoca/Rumänien vom 19.12.2007 - 10.262/2007, ist mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.
Die zu vollstreckende Entscheidung lautet:
- Der Verklagte (Antragsgegner) wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer (Antragsteller) den Betrag von 228.300 Lei zu bezahlen.
- Der Verklagte (Antragsgegner) wird verpflichtet, an den Beschwerdeführer (Antragsteller) den Betrag von 389,93 Lei als Urteilskosten zu bezahlen.
Mit seiner Beschwerde vom 12.4.2010 macht der Antragsgegner geltend, eine Vollstreckbarerklärung auf der Grundlage der EuGVVO scheide schon deshalb aus, weil gem. Art. 1 Abs. 2a erbrechtliche Forderungen aus dem Anordnungsbereich der EuGVVO ausgenommen seien. Das Gericht von Cluj-Napoca habe deshalb keine Bescheinigung nach Art. 54 EuGVVO ausstellen und das LG Ulm keinen darauf aufbauenden Beschluss über die Vollstreckbarkeit des rumänischen Urteils in Deutschland erlassen dürfen.
Auch sei das rumänische Urteil mit dem ordre public nicht vereinbar.
Der Antragsteller sei über 20 Jahre nach dem Tod seines Vaters plötzlich aufgetaucht und habe einfach behauptet, er gehöre zur Familie. Das rumänische Gericht habe die Vaterschaft des Erblassers ohne gutachterliche Überprüfung und nur gestützt auf Vermutungen und widersprüchliche Zeugenaussagen festgestellt. Das Urteil, in dem die Vaterschaft festgestellt worden sei, sei ihm auch nicht zugestellt worden. Es verstoße daher gegen verfahrensrechtliche Grundsätze und weiche gravierend von einem rechtsstaatlichen Verfahren ab.
Der Nachlass habe im Übrigen im Wesentlichen aus einem Grundstück bestanden, das zum Zeitpunkt des Todes im Jahr 1980 als Garten ausgewiesen gewesen sei und deshalb nur einen niedrigen Verkehrswert gehabt habe. Bei der Feststellung der Erbanteile des Antragstellers im Jahr 2007 sei das rumänische Gericht jedoch von dem aktuellen Verkehrswert des Grundstücks ausgegangen, das inzwischen als Bau- grundstück ausgewiesen sei, weshalb der Wert mindestens 100-fach höher gelegen habe als zum Zeitpunkt des Erbfalls. Da er auf das Erbe im Jahr 1980 verzichtet ha- be, habe er von der Steigerung des Verkehrswertes nicht profitieren können. In der Verurteilung auf der jetzigen Wertbasis liege deshalb ebenfalls ein Verstoß gegen den ordre public des § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.
II. Das Rechtsmittel des Antragsgegners ist zulässig und begründet.
1. Nachdem das LG seine Entscheidung auf die Vorschriften der EuGVVO gestützt hat, ist gem. §§ 11 ff. des Gesetzes zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil und Handelssachen vom 19. 02.2001 (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG - BGBl. I 2001, 288) die Beschwerde zulässiges Rechtsmittel.
Dieses Rechtsmittel hat der Antragsgegner innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist des § 11 Abs. 3 AVAG eingelegt.
Sein Rechtsmittel ist damit zulässig.
2. Über die Beschwerde des Antragsgegners ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu § 568 ZPO durch Senatsentscheidung und nicht durch Einzelric...