Normenkette

BGB §§ 675, 675h Abs. 2; EGBGB Art. 248 §§ 2-3; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1; GKG § 48 Abs. 2; SpG BW § 1; ZPO §§ 3, 920 Abs. 2, §§ 935-936, 940

 

Verfahrensgang

LG Ravensburg (Urteil vom 28.12.2021; Aktenzeichen 2 O 235/21)

 

Tenor

1. Der Antrag vom 29.12.2021 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist ein im Vereinsregister des Amtsgerichts H. eingetragener Verein mit Sitz in H. Laut Satzung (Anl. K07) dient er der umfassenden Ausübung und Pflege der islamischen Religion gemäß der atharitischen Glaubenslehre und dem Verständnis sunnitischer Rechtsschulen zur Förderung der Religion, der islamischen Kultur, der islamischen Wohlfahrtspflege und mildtätiger Zwecke. Im Juli 2021 eröffnete er bei der Antragsgegnerin ein Girokonto, das diese mit Schreiben vom 07.09.2021 mit Wirkung zum 11.10.2021 unter Hinweis auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB, Anl. K03) kündigte (Anl. K04).

Nach Abweisung der diesbezüglichen Klage mangels Prozessfähigkeit des Antragstellers begehrt dieser parallel zur gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg eingelegten Berufung den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Verpflichtung der Antragsgegnerin, das Girokonto fortzuführen. Ein wichtiger oder sachlicher Grund für die Kündigung habe seiner Ansicht nach nicht vorgelegen. Insbesondere sei die Antragsgegnerin aufgrund der Grundrechtsbindung wie insbesondere der dem Parteienprivileg vergleichbaren Vereinigungsfreiheit sowie dem allgemeinen Gleichheitssatz zur Fortführung des Kontos verpflichtet. Letztlich habe der Antragsgegner die zweimonatige Kündigungsfrist nicht eingehalten.

Der Antragsteller beantragt (Schriftsatz vom 29.12.2021):

1. Der Antragsgegnerin wird geboten, das Girokonto mit der Nummer ... des Antragstellers in unveränderter Weise weiterzuführen.

2. Der Antragsgegnerin wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziff. 1 ausgesprochene Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt werden kann.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen. Allerdings hat der Antragsteller ihn nach §§ 936, 920 ZPO in zulässiger Weise gestellt. Auch ist entgegen der Ansicht des Landgerichts im erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren von der Prozessfähigkeit des Antragstellers auszugehen. Denn die - erfolgte - Eintragung ins Vereinsregister hat konstitutive Wirkung (s. nur BGH, Urteil vom 11.11.1982 - I ZR 126/80, zit. nach juris, Rn. 19, m.w.N.), und nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG darf ein Verein erst mit einer Verbotsverfügung der zuständigen Landesbehörde bzw. des Bundesministeriums des Inneren als verboten - und damit aufgrund Auflösung als nicht existent - behandelt werden.

Nach §§ 935, 940 ZPO erfolgt eine einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustands jedoch nur dann, wenn die Regelung insbesondere zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist [sogenannter Verfügungsgrund, s.u. 1.] und der Antragsteller einen Verfügungsanspruch hat [s.u. 2.]. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

1. Entgegen §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO hat der Antragsteller schon einen Verfügungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat er durch eidesstattliche Versicherung seines Präsidenten D. R. glaubhaft gemacht (§ 294 Abs. 1 ZPO), das Konto nicht mehr aktiv nutzen zu können. Daraus allein ergibt sich aber noch kein Verfügungsgrund, der den Erlass einer einstweiligen Verfügung als nötig erscheinen lässt. Insbesondere hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, woraus sich infolge der fehlenden Nutzungsmöglichkeit wesentliche Nachteile ergeben, die mittels der beantragten Verfügung dringend abzuwenden seien (vgl. zum Verfügungsgrund nur Zöller, Vollkommer, 34. Aufl. 2022, § 935 ZPO, Rn. 10, § 940 ZPO, Rn. 4). Die Kündigung eines Kontos führt nicht per se zu wesentlichen, dringend zu behebenden Nachteilen. Insbesondere hat die Antragsgegnerin bereits im erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren sowohl bestritten, dass der Antragsteller nicht über ein weiteres Konto verfüge, noch, dass er aufgrund seiner Mitgliederzahl sowie unbaren Zahlungsverkehr erfordernder Aktivitäten auf die Weiternutzung des Kontos angewiesen wäre (Klageerwiderung S. 6 f.).

2. Auch hat der Antragsteller entgegen §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO keine einen Verfügungsanspruch tragenden Tatsachen glaubhaft gemacht. Nach den dem einstweiligen Verfügungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen hat die Antragsgegnerin das für den Antragsteller geführte Konto mit der Nr. ... mit Schreiben vom 07.09.2021 wirksam gekündigt [s.u. a)], weshalb sie seit Ablauf der Kündigungsfrist zur Einstellung der Kontoführung berechtigt ist [s.u. b)].

a) Die Parteien hatten mit Vertrag vom Juli 2021 einen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) als Girokontovertrag ...

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