Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Erbfolge
Leitsatz (amtlich)
Das Grundbuchamt hat bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen gesetzliche Auslegungsregeln zu beachten, wenn durch Ermittlungen des Nachlaßgerichts keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 35 Abs. 1 S. 2 GBO genügt es zum Nachweis der Erbfolge, wenn anstelle des Erbscheins die in einer öffentlichen Urkunde enthaltene Verfügung von Todes wegen und die Niederschrift über die Eröffnung dieser Verfügung vorgelegt werden. Zwar kann das Grundbuchamt auch in einem solchen Falle die Vorlegung eines Erbscheins verlangen, wenn es die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen erachtet. Diese Voraussetzung ist jedoch nur gegeben, wenn nach erschöpfender rechtlicher Würdigung konkrete Zweifel verbleiben, die nur durch weitere Ermittlungen geklärt werden können.
2. Es erscheint nicht sachgerecht, die Beweiserleichterung des § 35 Abs. 1 S. 2 GBO in allen Fällen auszuschließen, in denen der Rückgriff auf eine gesetzliche Auslegungsregel erforderlich wird.
Normenkette
GBO § 35; BGB § 2270
Verfahrensgang
LG Tübingen (Beschluss vom 22.03.1991; Aktenzeichen 5 T 299/90) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten 1–4 wird der Beschluß des Landgerichts Tübingen vom 22.03.1991 und die Zwischenverfügung des Grundbuchamts Wildberg vom 26.11.1990 aufgehoben.
Gründe
Die Beteiligte 3 hat beantragt, die Beteiligten 1–4 im Wege der Grundbuchberichtigung als Erben bzw. Erbeserben ihrer Eltern … im Grundbuch einzutragen. Zum Nachweis der Erbfolge hat sie das notariell beurkundete gemeinschaftliche Testament der Eltern von … 1960, das privatschriftliche Testament ihrer Mutter von … 1989 sowie das Eröffnungsprotokoll des Nachlaßgerichts von … 1990 in der Nachlaßsache der Mutter und auf die Zwischenverfügung vom 25.10.1990 das Eröffnungsprotokoll von … 1988 in der Nachlaßsache des Vaters vorgelegt.
Mit seinem als Zwischenverfügung bezeichneten Schreiben vom 26.11.1990 – das an die Stelle der insoweit nicht erledigten Zwischenverfügung vom 25.10.1990 getreten ist – hat das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins nach der Mutter verlangt. Zur Begründung ist ausgeführt, wenn ein Erblasser mehrere Verfügungen von Todes wegen hinterlasse, sei es nicht Sache des Grundbuchamts, zu entscheiden, welche Verfügung letztendlich wirksam sei.
Gegen die Zwischenverfügung haben die Beteiligten 1–4 Beschwerde eingelegt. Diese wurde vom Landgericht mit Beschluß vom 22.03.1991 zurückgewiesen. Das Landgericht läßt die Frage, ob das privatschriftliche Testament der Mutter nach §§ 2269 ff BGB wirksam sei, dahingestellt. Es stellt darauf ab, daß eine zweifelsfreie Bestimmung der Erbfolge nicht erfolgen könne, weil die Möglichkeit bestehe, daß die Erblasser nach Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments noch Kinder adoptiert hätten, ein Vorgang, der in heutiger Zeit keine Seltenheit mehr besitze.
Die dagegen von den Beteiligten 1–4 eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig und begründet, §§ 78, 80 GBO, 550 ff ZPO.
Nach § 35 Abs. I S. 2 GBO genügt es zum Nachweis der Erbfolge, wenn anstelle des Erbscheins die in einer öffentlichen Urkunde enthaltene Verfügung von Todes wegen und die Niederschrift über die Eröffnung dieser Verfügung vorgelegt werden. Zwar kann das Grundbuchamt auch in einem solchen Falle die Vorlegung eines Erbscheins verlangen, wenn es die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen erachtet. Diese Voraussetzung ist jedoch nur gegeben, wenn nach erschöpfender rechtlicher Würdigung konkrete Zweifel verbleiben, die nur durch weitere Ermittlungen geklärt werden können (h.M., vgl. u. a. Senatsbeschluß Rpfleger 1975, 135 m.w.H.).
Dem wird die Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht. Es hat zum einen nicht berücksichtigt, daß in dem gemeinschaftlichen Testament der Erblasser nicht etwa die gesetzlichen Erben oder die Kinder bedacht sind, sondern 4 namentlich bezeichnete Kinder zu je 1/4 zu Erben eingesetzt worden sind, so daß ein Adoptivkind allenfalls im Wege der Anfechtung dieser Verfügung hätte Erbe werden können. Zum anderen hat es nicht beachtet, daß abstrakte Zweifel nicht ausreichen, um den sich aus den vorgelegten Urkunden ergebenden Nachweis in Frage zu stellen (Horber/Demharter, 18. Aufl., Anm. 15, Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, 3. Aufl., RN 74, Meikel/Roth, 7. Aufl., RN 111, je zu § 35 GBO, m.w.H.).
Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.
Die vom Grundbuchamt gegebene Begründung vermag sie nicht zu tragen, weil ihr ein Verstoß gegen die Pflicht zu einer selbständigen rechtlichen Würdigung zugrundeliegt (Horber/Demharter, RN 15, Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, RN 73, Meikel/Roth, RN 111, je zu § 35 GBO, m.w.H.).
Diese Würdigung ergibt, daß die Erbfolge der Beteiligten 1–4 nach ihrer Mutter in hinreichender Weise nachgewiesen ist. Denn sie sind in dem notariell beurkundeten gemeinschaftlichen Testament ihrer Eltern als namentlich benannte Erben eingesetzt. Die...