Verfahrensgang

AG Stuttgart (Entscheidung vom 18.10.2017; Aktenzeichen 20 OWi 63 Js 69432/17)

AG Stuttgart (Entscheidung vom 08.09.2017)

 

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 18. Oktober 2017, mit dem die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. September 2017 als unzulässig verworfen wurde, wird

aufgehoben.

Das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. September 2017 wird

aufgehoben

und das Verfahren an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Stuttgart

zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsmittels

zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Stuttgart verwarf mit Urteil vom 8. September 2017 den Einspruch der Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 6. März 2017 als unzulässig, da im Termin weder die Betroffene noch deren Verteidiger anwesend waren. Zuvor hatte der Verteidiger mit Schreiben vom 28. August 2017 einen Antrag auf Terminsverlegung gestellt, da die Betroffene ihre Famulatur, die sie auf Sylt absolvierte, nicht habe unterbrechen können und keinen Urlaub nehmen dürfe. Die Ladung zum Termin war am 27. Juli 2017 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 30. August 2017 hatte das Gericht der Betroffenen mitgeteilt, dass eine Verlegung nicht in Betracht komme, da die Begründung nicht ausreichend sei. Am 4. September 2017 reichte die Betroffene eine weitere Bestätigung des Ausbilders ein, die das Gericht aber ebenfalls für nicht genügend ansah, was der Betroffenen mit Datum vom 5. September 2017 mitgeteilt wurde. Am 6. September 2017 legte die Betroffene gegen die Nichtverlegung des Termins "Rechtsmittel" ein und beantragte nochmals, den Termin zu verlegen; dieses "Rechtsmittel" und der erneute Verlegungsantrag wurden am 7. September 2017 durch Beschluss des Amtsgerichts abgelehnt. Dieser Beschluss wiederum wurde der Betroffenen am 7. September 2017 mitgeteilt. Zuvor - am 6. September 2017 - war ein Schriftsatz des Verteidigers eingegangen, der die "Famulaturrichtlinien" beinhaltete und in dem erneut um Verlegung des Termins gebeten wurde. Dieser Schriftsatz wurde dem Richter erst nach dem Hauptverhandlungstermin vorgelegt.

Das Urteil vom 8. September 2017 wurde am 15. September 2017 zugestellt. Die Betroffene legte am 21. September 2017 Rechtsbeschwerde gegen das Urteil ein. Diese Rechtsbeschwerde verwarf das Amtsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 18. Oktober 2017 als unzulässig, da es eine frist- und formgerechte Begründung vermisste. Der Beschluss vom 18. Oktober 2017 wurde am 24. Oktober 2017 zugestellt. Am 20. Oktober 2017 gingen Antrag und Begründung des Rechtsmittels mittels Verteidigerschriftsatzes ein. Mit am 26. Oktober 2017 eingegangenem Schreiben stellte die Betroffene den Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO und begehrte Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist.

Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart beantragte, der Betroffenen Wiedereinsetzung in die Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist zu gewähren sowie das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 8. September 2017 aufzuheben und das Verfahren an einen anderen Richter des Amtsgerichts Stuttgart zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

II.

Der fristgerecht gestellte Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO hat Erfolg, der Beschluss des Amtsgerichts vom 18. Oktober 2017 ist aufzuheben.

Das Gericht hat den Beschluss vom 18. Oktober 2017 vor der Zeit, nämlich vor Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist, erlassen.

Die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist lief, nachdem weder die Betroffene noch ihr Verteidiger in der Sitzung vom 8. September 2017 anwesend waren, nach § 341 Abs. 2 StPO i. V. m. § 345 Abs. 1 StPO bis 23. Oktober 2017. Nach der Zustellung vom 15. September 2017 lief zunächst die Einlegungsfrist bis 22. September 2017, daran schloss sich die Begründungsfrist von einem Monat ab 23. September 2017, also bis 23.Oktober 2017 an. Die Begründung der Betroffenen war jedoch bereits am 20. Oktober 2017 (Bl. 112 ff.) bei Gericht eingegangen und damit rechtzeitig. Daher hat die Betroffene keine Frist versäumt - einer Wiedereinsetzung bedarf es nicht - und der Verwerfungsbeschluss ist aufzuheben.

III.

Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart hat hierzu in ihrer Zuschrift vom 13. Dezember 2017 wie folgt ausgeführt:

"Das Amtsgericht Stuttgart hat den Einspruch der Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.

Die Betroffene kann hier grundsätzlich im Wege der Verfahrensrüge gegen die Verurteilung vorgehen. Mit der Verfahrensrüge kann insbesondere geltend gemacht werden, das Gericht habe aufgrund bestimmter Tatsachen einen gegebenen Entschuldigungsgrund erkennen und als solchen in die Prüfung mit einbeziehen müssen; hier in diesem Fall die Dauer und die Unterbrechungsvoraussetzungen der Famulatur.

Dabei müssen [muss] bei der Verfahrensrüge unter Darlegung bestimmter Tatsachen näher angeführt werden, warum das Amtsgericht das Ausbleiben ...

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