Leitsatz (amtlich)

›1. Aus Gründen des Vertrauensschutzes entsteht bei einer vorläufigen Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 153 a Abs. 1 StPO auch dann ein bedingtes Verfahrenshindernis, wenn die Staatsanwaltschaft die erforderliche Zustimmung des Gerichts nicht einholt.

2. Das bedingte Verfahrenshindernis wird nicht dadurch beseitigt, dass die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren vor Ablauf der dem Beschuldigten zur Einfüllung der Auflagen bzw. Weisungen gesetzten Frist fortsetzt. Setzt der Beschuldigte die Erfüllung zunächst im Hinblick auf das rechtswidrige Vorgehen der Staatsanwaltschaft aus, kann er auch noch nach Ablauf der ursprünglichen Frist das endgültige Verfahrenshindernis herbeiführen.‹

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Entscheidung vom 11.01.2007; Aktenzeichen 6 KLs 150 Js 41136/04)

 

Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat am 29. September 2006 Anklage gegen den Angeschuldigten bei der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart erhoben. Ihm werden 191 Fälle des gemeinschaftlichen Betruges im besonders schweren Fall im Zeitraum Mai 2002 bis Juni 2003 zur Last gelegt, jeweils tateinheitlich mit einem verbotenen Bankgeschäft, strafbar gemäß §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB, 54 Abs. 1 Nr. 2, 32 Abs. 1 S. 1, 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Kreditwesengesetz (KWG), 25 Abs. 2, 52, 53 StGB. Er soll - zusammen mit getrennt verfolgten Mittätern - das Lastschrift-Einzugsverfahren der Banken missbraucht haben, indem er sich als Kreditgeber bzw. Vermittler an einem System der sogenannten "Lastschriftreiterei" beteiligte, um sich zu Lasten der Bank der Kreditnehmer (Inkassostelle) zu bereichern. Mit Erhebung der Anklage hat die Staatsanwaltschaft beantragt, hinsichtlich der vom Angeschuldigten betrügerisch erlangten Zinsen und Provisionen gemäß §§ 73 Abs. 1 Satz 2, 73 a StGB den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 304.960,48 EUR und hinsichtlich der als Tatmittel verwendeten Darlehensbeträge gemäß §§ 74 Abs. 1, 74 c StGB die Einziehung des Wertersatzes in Höhe von 393.978,20 EUR anzuordnen, insgesamt 698.938,68 EUR.

Die Wirtschaftsstrafkammer hat über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht entschieden. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. Januar 2007 ordnete sie den dinglichen Arrest in Höhe von 698.938,68 EUR zur Sicherung des staatlichen Anspruchs auf Verfall des Wertersatzes sowie Einziehung des Wertersatzes in das Vermögen des Angeschuldigten an.

Ebenfalls am 11. Januar 2007 erließ die Strafkammer in Vollziehung des dinglichen Arrestes 22 Pfändungsbeschlüsse, mit denen Geschäftsanteile, Mietforderungen sowie Forderungen aus Bankverbindungen des Angeschuldigten gepfändet wurden.

Der Angeschuldigte hat über seinen Verteidiger die Tatvorwürfe bestritten. Es liege weder ein Betrug noch ein Verstoß gegen das KWG vor. Überdies habe der Angeschuldigte nur an 27 der verfahrensgegenständlichen Geschäfte mitgewirkt, der weit überwiegende Anteil sei seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau zuzurechnen. Er habe im guten Glauben an die Rechtmäßigkeit der Geschäfte gehandelt, die nicht "bankmäßig" abgewickelt, sondern im Rahmen privater Vermögensverwaltung getätigt worden seien. Es fehle auch an einer gewerbsmäßigen Vorgehensweise. Der Angeschuldigte habe Verluste erlitten, die zu berücksichtigen seien. Eine Prüfung der Vorschriften der §§ 73 c und 74 d StGB sei unterblieben. Der Angeschuldigte habe im Rahmen eines gemäß § 153 a StPO vorläufig eingestellten Verfahrens Zahlungen geleistet, die bei der Arrestsumme zu berücksichtigen seien, ebenso wie ein durch die Ehefrau des Angeschuldigten seinerzeit hinterlegter Geldbetrag. Schließlich liege auch kein Arrestgrund vor.

Der Senat hat im Beschwerdeverfahren auch im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ergänzende Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft eingeholt. In Bezug auf die Verfügung des Vorsitzenden vom 28. März 2007 hat die Staatsanwaltschaft in ihrer letzten Stellungnahme vom 29. März 2007 erklärt, dass sie - sollten die angeklagten Taten gänzlich oder jedenfalls teilweise nicht (mehr) verfolgbar sein - insoweit den Verfall des Wertersatzes und die Einziehung des Wertersatzes im Wege der selbständigen Anordnung gemäß § 76 a Abs. 3, Abs. 1 StGB beantragen werde. Die Beschwerde des Angeschuldigten sei zu verwerfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet. Es sind Gründe für die Annahme vorhanden, dass die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 304.960,48 EUR und der Einziehung von Wertersatz in Höhe von 177.000,- EUR, insgesamt 481.960,48 EUR, vorliegen, so dass der dingliche Arrest in das Vermögen des Angeschuldigten in dieser Höhe nach §§ 111 b Abs. 2, 111 d, 111 e Abs. 1 StPO in Verbindung mit §§ 73 Abs. 1, 73 a, 74, 74 c, 76 a StGB angeordnet werden kann. Weder ein Verfahrenshindernis gemäß § 153 a Abs. 1 Satz 5 StPO steht der Anordnung entgegen, noch die Vorschriften in §§ 73 c und 74 b StGB . Der nach § 111 d Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 917 ZPO erforderliche Arrestgrund liegt vor. Es besteh...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?