Leitsatz (amtlich)
Die richterlich gesetzte Frist zur Gewährung rechtlichen Gehörs vor einer Entscheidung über den Widerruf einer Bewährung ist keine Frist, gegen deren Versäumung eine Wiedereinsetzung zulässig ist.
Normenkette
StPO § 44 S. 1, § 453 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Tübingen (Entscheidung vom 21.05.2015; Aktenzeichen 14 StVK 487/11) |
StA Ravensburg (Aktenzeichen 81 VRs 240 Js 5097/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts -Strafvollstreckungskammer - Tübingen vom 21. Mai 2015 wird als unbegründet
verworfen.
Der Verurteilte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Verurteilte wurde mit Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 21. Februar 2007 wegen schweren Raubes, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 23 Fällen, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen sowie wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Daneben wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt mit einem Vorwegvollzug von zwei Jahren und vier Monaten der Freiheitsstrafe angeordnet. Seit dem 3. November 2008 befand er sich im Maßregelvollzug im .......in ..........
Das Landgericht Tübingen setzte am 29. Dezember 2011, rechtskräftig seit 12. Januar 2012, die weitere Vollstreckung der Reststrafe und der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt aus dem Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 21. Februar 2007 für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung aus.
Durch Urteil vom 20. August 2014 wurde er vom Landgericht Ravensburg wegen besonders schweren Raubes, begangen am 28. November 2013, zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und acht Monaten verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig seit 26. Februar 2015.
Im Hinblick hierauf beantragte die Staatsanwaltschaft Ravensburg den Widerruf der Strafrestaussetzung zur Bewährung.
Das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Tübingen verfügte durch den Vorsitzenden am 13. April 2015 die Zustellung eines Anschreibens an den Verurteilten, in dem es ihn auf die durch Urteil vom 20. August 2014 erkannte erneute Straffälligkeit während laufender Bewährung und die deswegen verhängte Freiheitsstrafe sowie auf den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der Bewährung hinwies und ihm Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zugang des Anschreibens einräumte. Das Anschreiben wurde dem Verurteilten am 4. Mai 2015 in der Justizvollzugsanstalt ............ zugestellt. Eine Stellungnahme bis zum Ablauf der Frist ist nicht eingegangen.
Mit Beschluss vom 21. Mai 2015 hat das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Tübingen daraufhin die dem Verurteilten durch Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 29. Dezember 2011 hinsichtlich der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 21. Februar 2007 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Der Beschluss ist dem Verurteilten am 27. Mai 2015 in der Justizvollzugsanstalt ............ zugestellt worden.
Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit Schreiben vom 28. Mai 2015, eingegangen beim Landgericht am 1. Juni 2015, mit dem er "Beschwerde" gegen den Widerrufsbeschluss einlegt und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Stellungnahmefrist stellt.
II.
Die "Beschwerde" des Verurteilten ist als sofortige Beschwerde gem. § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO statthaft und zulässig. Sie ist fristgerecht erhoben. Sie ist jedoch unbegründet.
1.
Der Senat sieht sich nicht an einer eigenen Sachentscheidung gehindert.
a)
Zwar hat der Verurteilte mit der Beschwerde zugleich einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, über den grundsätzlich zunächst vom Landgericht als gem. § 46 Abs. 1 StPO zuständigem Gericht entschieden werden müsste (BGH, NJW 1958, 509; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 46 Rn. 7; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2006, 215-216).
Der vom Verurteilten gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch nicht statthaft, weil er sich nicht auf eine Frist i.S.d. § 44 StPO bezieht.
b)
Ein Wiedereinsetzungsantrag ist ein Rechtsbehelf, der es dem Betroffenen ermöglichen soll, prozessuale Rechte wahrzunehmen, die ihm wegen Ablaufs einer Frist nicht mehr zustehen.
Gegenstand eines Wiedereinsetzungsantrages ist mithin eine Frist, nach deren Ablauf dem Betroffenen die Vornahme einer Prozesshandlung oder die Wahrnehmung eines Prozessrechts verwehrt ist.
Dies soll schon bei einer gesetzlichen Ausschlussfrist nicht der Fall sein, die mangels tatsächlicher oder rechtlicher Wahrnehmungsmöglichkeit nicht zu laufen beginnt (OLG Bremen, GA 1956, 185 für den Fall der Behinderung der Einh...