Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergaberecht: Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
Die Übersendung des Beschlusses der Vergabekammer durch Telefax setzt die Beschwerdefrist des § 117 I GWB nicht in Lauf, wenn die Vergabekammer ihren Beschluss auch förmlich zustellen lässt.
Verspricht die sofortige Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung der Vergabekammer im Rahmen der gebotenen summarischen. Prüfung keinen Erfolg, lehnt das Beschwerdegericht den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde ab, ohne dass es dabei noch einer Interessenabwägung nach § 118 II 2 GWB bedarf.
Das Beschwerdegericht kann auf den Antrag auf Fristverlängerung auch noch nach Ablauf der Frist des § 118 I 2 GWB entscheiden.
Den Antrag auf Nachprüfung nach § 107 I GWB kann auch stellen, wer nicht als Bieter in Erscheinung getreten ist. Das Interesse am Auftrag im Sinne von § 107 II GWB wird durch die Stellung eines Nachprüfungsantrages dokumentiert.
In Bezug auf die Zuziehung von Sachverständigen hat die Vergabestelle einen Beurteilungsspielraum.
Der den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde ablehnenden Beschluss ist mit einer Kostenentscheidung zu versehen, weil der Antragsgegner in diesem Fall den Zuschlag unabhängig vom Ausgang des Beschwerdeverfahrens endgültig erteilen kann.
Normenkette
GWB §§ 107, 117-118; VOL/A §§ 6, 23
Verfahrensgang
Vergabekammer Baden-Württemberg (Aktenzeichen 1 VK 9/00) |
Tenor
1.
Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer des Landes Baden-Württemberg vom 24.05.2000 – 1 VK 9/00 – bis zur Entscheidung über ihre dagegen eingelegte sofortige Beschwerde zu verlängern, wird
abgelehnt.
2.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Verfahrens über ihren Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde.
Gründe
A.
Die Antragsstellerin hat sich gegen den ihr am 26.05.2000 zugestellten ablehnenden Beschluss der Vergabekammer des Landes Baden-Württemberg vom 24.05.2000 gewandt. Am 09.06.2000 ging ihre sofortige Beschwerde ein; am 20.06.2000 hat sie darüberhinaus beantragt, die aufschiebende Wirkung dieses Rechtsmittels bis zur Entscheidung über ihre sofortige Beschwerde zu verlängern (§ 118 Abs. 1 Satz 3 GWB). Die Vergabestelle/Antragsgegnerin trat diesem Begehren entgegen (vgl. Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 03.07.2000). Der Antrag war mangels Erfolgsaussicht der sofortigen Beschwerde abzulehnen.
B.
1.
Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 GWB berücksichtigt das Gericht bei seiner Entscheidung über einen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung die Erfolgsaussichten der Beschwerde. Werden diese Erfolgsaussichten – im Rahmen der gebotenen summarischen Bewertung – positiv beurteilt, hat dies in die nach § 118 Abs. 2 Satz 2 GWB vorzunehmende Interessenabwägung einzufließen (Bechtold, GWB, 2. A., § 118 Rn. 4). Verspricht dagegen die Beschwerde keinen Erfolg, lehnt das Beschwerdegericht den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ab, ohne dass es noch einer Interessenabwägung nach Abs. 2 S. 2 bedarf (Reidt/Stickler/Glahs, Komm. VergabeR., § 118 GWB Rn. 12).
2.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zwar zulässig und insbesondere innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 117 Abs. 1 GWB eingelegt worden. Soweit die Beschwerdeerwiderung dem entgegenhält, die Beschwerdefrist sei schon durch die Zustellung des angegriffenen Beschlusses per Telefax am 25.05.2000 in Lauf gesetzt worden, die sofortige Beschwerde also verspätet eingelegt, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar ist denkbar, dass die Übersendung per Telefax bereits die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes darstellen kann (Stelkens/Bonk/Sachs, VerwaltungsverfahrensG., 5. A. § 41 Rn. 30; vgl. auch OVG Hamburg NJW 1997, 2616, 2617 – dort zur Möglichkeit der Zustellung auf diesem Wege). Sie soll aber schon dann keine Bekanntgabe sein, wenn auch eine andere Form der Mitteilung durchgeführt wird (Stelkens a. a. O. Rn. 30). Denn dann fehlt bei der Vorabübersendung der Bekanntgabewille (Stelkens a. a. O. Rn. 29).
So ist es hier: Die Vergabekammer hat nämlich ihren Beschluss den Bevollmächtigten beider Parteien förmlich zustellen lassen. Eine vorangegangene Übermittlung ihres Beschlusses per Telefax an den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin diente deshalb, falls sie überhaupt erfolgt sein sollte, nur zu dessen Vorab-Information. Die Beschwerdefrist des § 117 Abs. 1 GWB wurde dadurch nicht ausgelöst.
Auch der Verlängerungsantrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB begegnet keinen Zulässigkeitsbedenken. Dass die Frist des § 118 Abs. 1 S. 2 GWB inzwischen abgelaufen ist, steht der Entscheidung nicht entgegen. Denn das Beschwerdegericht kann über den Verlängerungsantrag entscheiden, ohne an die Frist des § 118 Abs. 1 S. 2 GWB gebunden zu sein (Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, § 118 Rn. 10). Da die Vergabestelle den Zuschlag noch nicht ert...