Leitsatz (amtlich)
1. In Verfahren nach dem AdWirkG sind die besonderen Vorschriften des FamFG über das Verfahren in Adoptionssachen (§§ 186 ff. FamFG) nicht anzuwenden.
2. In Fällen, in denen die Voraussetzungen für eine Anerkennung der im Ausland erfolgten Adoption nach dem "Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption" vom 29.05.1993 (HAÜ) nicht vorliegen, kann nach dem Günstigkeitsprinzip auf die nationalen Anerkennungsregeln zurückgegriffen werden.
3. Zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und zu den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen im Recht der Adoption Minderjähriger gehört die Ausrichtung der Adoptionsentscheidung am Kindeswohl. Hierbei ist die Überprüfung der Eignung des Adoptivbewerbers ein wesentlicher Teil der Kindeswohlprüfung. Eine solche umfassende Eignungsprüfung muss die gesamten Lebensumstände des Adoptivbewerbers umfassen.
4. Ein Verstoß gegen den großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public liegt bei einer in wesentlichen Punkten unvollständigen Eignungsprüfung durch das ausländische Gericht nahe. Eine solche wesentliche Unvollständigkeit kann etwa gegeben sein, wenn dem ausländischen Gericht der internationale Charakter der Adoption verschwiegen wurde oder aus sonstigen Gründen nicht bekannt war.
5. Eine Nachholung der Eignungsprüfung unter Mitwirkung inländischer Stellen oder eine Ergänzung der Eignungsprüfung findet im Anerkennungsverfahren nicht statt, da dies über den Verfahrensgegenstand des Anerkennungsverfahrens hinausginge.
Normenkette
AdWirkG § 2; FamFG § 109 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Beschluss vom 07.11.2022; Aktenzeichen 27 F 1071/21) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin M. W. N. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 07.11.2022 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Das Verfahren betrifft den Antrag der Antragstellerin vom 06.07.2021 auf Anerkennung einer Entscheidung vom 10.03.2020 des High Court of Kenya in N., Kenia, in der die Adoption des Kindes J. M. F., geb. ...2018, durch die Antragstellerin gestattet bzw. ausgesprochen wurde, nach § 2 AdWirkG.
In der Antragsschrift vom 06.07.2021 lässt die Antragstellerin, die kenianische Staatsangehörige ist und über eine Niederlassungserlaubnis in Deutschland verfügt, ausführen, sie lebe mit ihrem langjährigen Lebensgefährten M. F. in Deutschland, reise aber öfters nach Kenia. Sie habe eine leibliche, volljährige Tochter, die nicht in ihrem Haushalt lebe. Aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches des nicht verheirateten Paares habe sie zum Zweck der Adoption eines Kindes Kontakt mit einem kenianischen Kinderheim aufgenommen, in welchem sie J. N. kennengelernt habe.
An dem Adoptionsverfahren in Kenia wirkten das dortige Jugendamt (Ministry of Labour and Social Protection, Department of Children Services, Unterbezirk N. Süd), und eine kenianische Adoptionsvermittlungsstelle Kenya to Kenyans Peace Initiative (KKPI Adoption Society) mit.
In der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 20.01.2020 erklärte Frau A. W. M., dass J. N. ihr leibliches Kind sei. Sie erklärt weiter, dass sie sich nicht um den Jungen kümmern könne, da sie arbeitslos sei und noch weitere Kinder zu versorgen habe. Sie habe sich am 24.09.2018 an die KKPI Adoption Society gewandt, um das Kind zur Adoption freizugeben. Sie sei über die rechtlichen Folgen einer Adoption aufgeklärt worden und habe in die Adoption eingewilligt.
Dem eingereichten Sozialbericht des Jugendamts in N. Süd vom 02.03.2020 zufolge erfüllt die Antragstellerin die Voraussetzungen einer "lokalen Adoption" nach dem kenianischen Children's Act von 2001. Sie sei dazu geeignet, die elterliche Sorge für den Angenommenen zu übernehmen, der sich seit dem 25.08.2019 in ihrer Obhut befinde. Der Angenommene sei zuvor im Kinderheim "I. Children Home" untergebracht gewesen, nachdem die leibliche Mutter ihn einige Tage nach seiner Geburt dort abgegeben habe.
Mit Entscheidung vom 10.03.2020 hat der High Court of Kenya in N. die Adoption des am ...2018 in K., Kenia, geborenen Jungen namens "J. N." durch die Antragstellerin gestattet bzw. ausgesprochen. Der Name des Kindes wurde dabei in "J. M. F," geändert. In der Geburtsurkunde des Kindes vom 26.11.2020, ausgestellt vom Standesamt in K., Central Province, Kenia, wird der Angenommene mit neuem Namen und die Antragstellerin als dessen Mutter angegeben. Die Adoption wurde im Adoptionsregister (Adopted Children Register) am 29.07.2020 eingetragen.
Mit Beschluss des High Court of Kenya, Law Court N., vom 10.05.2021 wurde nach Anhörung des Jugendamts der anwaltlich vertretenen Antragstellerin gestattet, Kenia mit dem adoptierten Kind in Richtung Deutschland zu verlassen, aber mit der Maßgabe, dass sie während des Aufenthalts in Deutschland alle sechs Monate an ein zuständiges Gericht oder ei...