Leitsatz (amtlich)
Der Streitwert eines Verfahrens über den Erlass einer einstweiligen Verfügung entspricht dem Wert des Hauptsacheverfahrens, wenn das Sicherungsverlangen einer endgültigen Regelung des streitigen Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien gleich kommt, wie es der Fall ist, wenn mittels vorläufigem Rechtsschutz die bevorstehende Aberntung eines Flurstücks und der Abtransport des Ernteguts untersagt werden soll.
Normenkette
ZPO §§ 3, 935; GKG § 68 Abs. 1; LwVfG § 48 Abs. 1, 1 Nr. 1a; LwVfg § 20 Abs. 1 Nr. 7
Verfahrensgang
AG Ulm (Beschluss vom 20.07.2011; Aktenzeichen Lw 4/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des AG Ulm vom 20.7.2011 - Lw 4/11, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit Antrag vom 18.7.2011 begehrte die Beschwerdeführerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, dass der Beschwerdegegnerin untersagt wird, im Einzelnen genannte Flurstücke selbst oder durch Dritte zu betreten, zu befahren, abzuernten und Erntegut abzutransportieren. Die Beschwerdegegnerin habe ein Lohnunternehmen beauftragt, die Flurstücke abzuernten, womit dieses bereits begonnen habe. Der Ernteertrag von 142 ha sei gefährdet, bei einer vollständigen Aberntung drohe ein überschlägiger Schaden von 200.220 EUR.
Nach Antragsrücknahme durch die Beschwerdeführerin setzte das AG durch Beschluss vom 20.7.2011 den Streitwert auf bis zu 200.000 EUR fest.
Mit Schriftsatz vom 17.8.2011 legte die Beschwerdeführerin hiergegen sofortige Beschwerde ein, da der Streitwert der einstweiligen Verfügung nur 1/3 des Hauptsachewertes, mithin 66.667 EUR betrage.
Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem OLG vorgelegt.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Die gem. § 68 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 1 Nr. 1a LwVfG, 1 Abs. 1 Nr. 1a GKG statthafte Beschwerde wurde form- und fristgerecht bei dem nach § 2 Abs. 1 Satz 3 LwVfG zuständigen OLG Stuttgart eingelegt.
Gemäß §§ 20 Abs. 1 Nr. 7, 48 Abs. 1, 1 Nr. 1a LwVfG kann über die Streitwertbeschwerde ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter entschieden werden (OLG Braunschweig OLGReport Braunschweig 1995, 48, juris RD 3).
2. Die Festsetzung des Streitwertes auf bis zu 200.000 EUR durch das AG ist nicht zu beanstanden.
Der Streitwert eines Verfahrens über den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Abwägung der Einzelumstände nach dem Interesse des Antragstellers an der Sicherstellung nach § 3 ZPO zu schätzen. In der Regel erreicht der Streitwert des Verfahrens auf vorläufigen Rechtsschutz nicht denjenigen des Hauptsacheverfahrens, da es nur um eine vorläufige Maßnahme geht. Dieser Grundsatz darf aber nicht schematisch angewandt werden. Der Wert des vorläufigen Verfahrens kann sich auch dem Wert des Hauptsacheverfahrens annähern, wie etwa bei Verfahren aufgrund verbotener Eigenmacht oder dann, wenn das Gericht im vorläufigen Verfahren praktisch schon endgültig über die Sache entscheiden muss (Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 53 GKG, RD 2, 3; OLG Celle OLGReport Celle 2008, 91 f., juris RD 6; OLG Köln OLGReport Köln 1999, 336, juris RD 3; OLG Frankfurt MDR 1991, 354, juris RD 5).
Zutreffend hat das AG in der Verfügung vom 17.8.2011, Bl. 39 ff. d.A., ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin mit dem Verfahren um Sicherung ihres Ernteertrages von ca. 200.220 EUR vor der unmittelbar bevorstehenden, nicht mehr rückgängig zu machenden Aberntung ging. Wirtschaftlich kommt dieses Sicherungsverlangen einer endgültigen Regelung des streitigen Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien auch in zeitlicher Hinsicht gleich. Bei Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung wäre die Beschwerdeführerin berechtigt gewesen, die Ernte in der anstehenden Erntezeit einzufahren, was einer eigentlich dem Hauptsacheverfahren vorbehaltenen Befriedigung entsprochen hätte. Die Beschwerdegegnerin hätte dann allenfalls noch Schadensersatzansprüche geltend machen können. Der sonst im einstweiligen Verfügungsverfahren in Betracht kommende deutliche Abschlag gegenüber der Hauptsacheklage ist hier daher nicht gerechtfertigt. Die Festsetzung des Streitwertes auf bis zu 200.000 EUR ist unter diesen Umständen angemessen und entspricht dem tatsächlichen Interesse der Beschwerdeführerin an dem beabsichtigten Verfahren.
3. Gemäß § 68 Abs. 3 GKG ist das Verfahren gebührenfrei. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Fundstellen
Haufe-Index 2753251 |
MDR 2011, 1316 |
RVG prof. 2011, 202 |