Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 28.11.1989; Aktenzeichen 32 Ns 1503/89) |
AG Stuttgart (Entscheidung vom 13.09.1989; Aktenzeichen B 15 Ds 1941/89) |
StA Stuttgart (Aktenzeichen 66 Js 40358/89) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landgerichts Stuttgart vom 28. November 1989 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
I.
Der wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung infolge alkoholischer Beeinflussung angeklagte Beschwerdeführer wurde vom Amtsgericht Stuttgart am 13. September 1989 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG zu der Geldbuße von DM 1.500,- und zu einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger am 19. September 1989 "Rechtsmittel" eingelegt. Am 04. November 1989 richtete der Angeklagte folgendes Schreiben an das Amtsgericht Stuttgart, das dort am 06. November 1989 einging:
"Ich bin gewillt, die Geldbuße von 1.500,- DM und die Gerichtskosten zu zahlen. Da ich die Geldsumme auf einmal nicht zahlen kann, bitte ich um Ratenzahlung. Hochachtungsvoll H. N.".
Auf die Anfrage des Amtsrichters, ob darin eine Rücknahme des Rechtsmittels zu sehen sei, antwortete der Verteidiger, das Schreiben seines Mandanten beruhe auf einem Irrtum; das Rechtsmittel bleibe aufrechterhalten. Da das Rechtsmittel zwischenzeitlich als Strafmaßberufung bezeichnet worden war, wurden die Akten der Berufungskammer des Landgerichts Stuttgart vorgelegt. Diese hat mit dem jetzt angefochtenen Beschluß die Kosten des Rechtsmittels nach § 473 Abs. 1 StPO dem Angeklagten auferlegt. Es hat in dem Schreiben des Angeklagten eine wirksame Rechtsmittelrücknahme gesehen; das Verfahren sei daher rechtswirksam beendet.
II.
Die nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluß vom 28. November 1989 dem Angeklagten gemäß § 473 Abs. 1 StPO die Kosten des von ihm zurückgenommenen Rechtsmittels auferlegt.
In dem Schreiben des Angeklagten vom 04. November 1989 ist eine wirksame Rechtsmittelrücknahme zu sehen. Eine Rechtsmittelrücknahme muß, um Wirksamkeit zu erlangen, eindeutig und zweifelsfrei sein; dabei kommt es allerdings nicht auf die gebrauchten Worte an. Auch wenn der Erklärende nicht ausdrücklich von Rücknahme spricht, kann die Erklärung diesen Inhalt haben, wenn der hierauf gerichtete Wille deutlich zum Ausdruck kommt (vgl. OLG Stuttgart Die Justiz 1981, 371; Ruß in KK StPO 2. Aufl. § 302 Rdnr. 11 m.w.N.).
Der in dem Schreiben des Angeklagten vom 04. November 1989 zum Ausdruck gekommene wirkliche Wille ist daher im Wege der Auslegung zu ermitteln. Diese Auslegung ergibt, daß der Angeklagte, indem er die Geldbuße und die Verfahrenskosten bezahlen wollte, sich mit den ausgesprochenen Rechtsfolgen endgültig einverstanden erklärt hat. Ebenso wie die Bezahlung einer verhängten Geldbuße durch Überweisung in aller Regel eine wirksame Rechtsmittelrücknahme enthält (vgl. OLG Stuttgart Die Justiz 1981, 371), so ist auch in der vorbehaltlosen Erklärung, die verhängte Geldbuße und die Verfahrenskosten bezahlen zu wollen, mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ein Verzicht auf das bereits eingelegte Rechtsmittel zu sehen. Anders als in dem vom OLG Köln (VRS 41, 440) entschiedenen Fall ist die Ankündigung der Bezahlung hier ohne jeden Vorbehalt erfolgt.
Für eine solche Auslegung spricht auch, daß nach § 89 OWiG Bußgeldentscheidungen erst dann vollstreckbar werden und die Geldbußen damit zu bezahlen sind, wenn Rechtskraft eingetreten ist. Das entspricht auch dem Verständnis eines nicht Rechtskundigen.
Für die Auslegung sind ferner die Umstände, unter denen die Erklärung abgegeben worden ist, mit heranzuziehen (vgl. OLG Köln VRS 41, 440, 442). Hier war der Angeklagte wegen einer Straftat nach § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a, Abs. 3 Nr. 2 StGB angeklagt und mußte wegen seiner beiden einschlägigen Vorstrafen mit einer Freiheitsstrafe sowie mit dem Entzug der Fahrerlaubnis rechnen. Es drängt sich auf, daß er nach dem für ihn sehr günstigen Urteil des Amtsgerichts nach Ablauf einer Überlegungsfrist zu der Erkenntnis gekommen ist, das Urteil sei für ihn durchaus annehmbar. Die vom Amtsrichter in Bezug auf den Rücknahmewillen des Angeklagten geäußerten Zweifel teilt der Senat bei dieser Sachlage nicht. Er sieht in der Erklärung des Angeklagten eine zweifelsfreie Rechtsmittelrücknahme.
Die Erklärung des Verteidigers, das Schreiben des Angeklagten beruhe auf einem Irrtum, vermag an der zuvor eingetretenen prozessualen Gestaltungswirkung der Erklärung nichts mehr zu ändern. Denn Rechtsmittelrücknahmeerklärungen sind grundsätzlich unwiderruflich und auch nicht wegen Irrtums anfechtbar (vgl. Kleinknecht/Meyer StPO 39. Aufl. § 302 Rdnr. 9 m.w.N.). Der prozessualen Rechtssicherheit gebührt insoweit der Vorrang.
Der Angeklagte muß sich daher an seiner Erklärung festhalten lassen. Seinem Anliegen, die Geldbuße...