Leitsatz (amtlich)
Hat der Sachverständige einen Motor zerlegt, ohne diesen wieder zusammenzufügen, hat das Gericht den Sachverständigen entsprechend anzuweisen.
Verfahrensgang
LG Tübingen (Beschluss vom 23.06.2005; Aktenzeichen 3 OH 4/05) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 3. Zivilkammer (Einzelrichter) des LG Tübingen vom 23.6.2005 - 3 OH 4/05 - abgeändert:
Der Sachverständige wird angewiesen, den zum Zwecke der Erstellung seines Gutachtens zerlegten Motor wieder zusammenzubauen.
II. Der Beschwerdewert wird auf 250 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Gemäß § 404a Abs. 1 ZPO hat das Gericht die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen.
Das LG hat dem Sachverständigen durch Beweisbeschluss vom 4.5.2005 in Verbindung mit seinem Auftragsschreiben vom 9.5.2005 schlüssig die Anweisung erteilt, den Motor zu zerlegen, soweit dies für die Begutachtung erforderlich ist. Der Antragsteller hat sein hierzu erforderliches Einverständnis durch die Antragstellung in Verbindung mit seinem Beweisangebot über die Vorführung des Fahrzeugs beim Sachverständigen konkludent erteilt. Der Sachverständige hat bei seinem Ortstermin am 6.6.2005 den Motor durch die Firma R. in M. zerlegen lassen, ohne den anschließenden Zusammenbau zu veranlassen.
Das LG hat bei einem Eingriff der vorliegenden Art auf Antrag der betroffenen Partei gem. § 404a Abs. 1 ZPO dafür Sorge zu tragen, dass der Sachverständige - notfalls unter Hinzuziehung geeigneter Hilfskräfte - den Motor wieder zusammenbaut (so auch OLG Celle v. 30.10.1997 - 4 U 197/95, OLGReport Celle 1998, 71; OLG Düsseldorf v. 16.1.1997 - 23 W 47/96, OLGReport Düsseldorf 1997, 198 = MDR 1997, 886; OLG Koblenz v. 27.6.2001 - 2 W 327/01, OLGReport Koblenz 2001, 501; Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 404a Rz. 2; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 404a Rz. 4).
Nach Ansicht des Senates ist hierfür maßgeblich, dass der Antragsteller durch seinen Antrag vom 9.6.2005 zu erkennen gegeben hat, dass er seine erforderliche Zustimmung zur Zerlegung des Motors daran geknüpft hat, dass der Motor nach Abschluss der Begutachtung wieder zusammengebaut wird.
Zwar obliegt es dem Antragsteller als Beweisführer, das Fahrzeug bzw. dessen Motor zwecks Zerlegung zur Verfügung zu stellen, wenn er im Beweisverfahren Nachteile für sich selbst vermeiden will. Der Vorbehalt des anschließenden Zusammenbaues des Motors führt jedoch weder zur Beweisfälligkeit im Falle seiner eigenen Beweislast noch zur Beweisvereitelung im Falle der Beweisbelastung des Gegners. Denn weder die Durchführung der Beweisaufnahme noch das Ergebnis der Beweisaufnahme werden durch diesen Vorbehalt berührt.
Die vom LG im angegriffenen Beschluss und in der Verfügung vom 13.6.2005 geäußerten Bedenken im Hinblick auf die prozessualen Pflichten der Prozessbeteiligten sowie im Hinblick auf die Stellung und die Haftung des Sachverständigen greifen nicht durch.
Der Sachverständige hat den Motor selbst oder unter Einschaltung von Hilfskräften zu zerlegen und im vorgefundenen Zustand wieder zusammenzubauen. Er ist dabei der weisungsgebundene Gehilfe des Gerichts und wird durch den Zusammenbau nicht zum Vertragspartner einer Partei. Seine Haftung beschränkt sich auf den normalen Umfang der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Berufspflichten (OLG Frankfurt, BauR 1998, S. 1052).
Die Obliegenheit des Beweisführers geht nicht so weit, dass sie dem Sachverständigen den Begutachtungsgegenstand kostenfrei augenscheinsmäßig zu präsentieren hat (OLG Frankfurt, BauR 1998, S. 1052). Beispielsweise muss jeder medizinische Sachverständige ggf. Untersuchungen vornehmen, die mit körperlichen Eingriffen verbunden sind, für deren sachgerechte Ausführung er verantwortlich ist, und die er nicht durch den Beweisführer ausführen lassen kann. Bei derartigen Begutachtungen kann er die Untersuchung nicht schon - gewissermaßen auf halbem Wege - zu dem Zeitpunkt beenden, zu dem er die Befunde zur Erstellung seines Gutachtens erhoben hat. Vielmehr muss er auch hier den körperlichen Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Ende führen.
Die Kosten des Zusammenbaues sind Kosten der Beweisaufnahme. Sofern der geleistete Vorschuß des Antragstellers und Beweisführers nicht ausreicht, ist weiterer Vorschuß nachzufordern.
Einer Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht. Der angefochtene Beschluss ist als Entscheidung im laufenden Verfahren keiner Kostenentscheidung fähig. Insoweit bilden die durch die Beschwerde entstandenen Kosten einen Teil der Gesamtkosten des Verfahrens.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch für die Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 1580375 |
IBR 2006, 62 |
DS 2007, 112 |
OLGR-Süd 2006, 769 |