Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen der Einberufung einer Gesellschafterversammlung einer GmbH nach § 50 Abs. 3 Satz 1 GmbHG, insbesondere zur Verpflichtung der Geschäftsführung, die Gesellschafterversammlung innerhalb angemessener Frist bzw. unverzüglich einzuberufen.
2. Zum Verstoß gegen das "Verbot des Insichgeschäfts im Prozess" bei Auftreten einer Person als gesetzlicher Vertreter für beide Prozessparteien.
3. Eine Geschäftsführungsmaßnahme, an deren Billigung durch die GmbH-Gesellschafter der Geschäftsführer zweifeln muss, bedarf als ungewöhnliche grundsätzlich eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung. Ein solcher Fall liegt auch bei zu erwartendem Widerspruch nur eines Minderheitsgesellschafters jedenfalls vor, wenn ein solcher Widerspruch angesichts von bei der konkret in Frage stehenden Beschlussfassung zu Lasten anderer Gesellschafter eingreifender Stimmverbote dazu geführt hätte, dass ein Beschluss über die Vornahme der Maßnahme nicht zustande gekommen wäre. Der Gesellschafterversammlung vorbehalten sein können nach diesen Grundsätzen insbesondere Maßnahmen des Geschäftsführers, mit denen ein von der Gesellschaft geführter Rechtsstreit beendet wird, wenn zwischen den Gesellschaftern bekanntermaßen Streit darüber besteht, ob der Rechtsstreit fortgeführt werden soll.
3. Zum "Durchschlagen" von Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis auf die gesetzliche Vertretungsmacht des Gesellschafter-Geschäftsführers der GmbH im Prozess der Gesellschaft.
Normenkette
GmbHG § 50 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 28.09.2012; Aktenzeichen 37 O 30/12 KfH) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde vom 15.10.2012 wird der Beschluss der 37. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart - 37 O 30/12 - vom 28.9.2012 aufgehoben.
Die Akten werden zur Fortsetzung des Rechtsstreits an das LG zurückgegeben.
Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt bis 80.000 EUR.
Gründe
A. Die Klägerin hat im Urkundenprozess Klage gegen die Beklagten Ziff. 1 und 2 auf Zahlung von 1.563.898 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten erhoben. Grundlage der Klagforderung ist eine zwischen der Klägerin und der Beklagten Ziff. 1 geschlossene Rahmenvereinbarung, nach denen die Klägerin verpflichtet war, für die Beklagte Ziff. 1 Dienstleistungen im Bereich von Windenergieanlagen zu erbringen, ferner die als Anlage K 13 (Bl. 17) vorgelegte Vereinbarung zwischen den Parteien vom 12.1.2012, in der die Beklagte Ziff. 1 die Fälligkeit diverser Forderungen aus von der Klägerin gestellten Rechnungen bestätigt und sich die Beklagte Ziff. 2 gegenüber der Klägerin verpflichtet, für die die Beklagte Ziff. 1 gegenüber der Klägerin treffenden Verbindlichkeiten einzustehen, schließlich die als Anlage K 14 (Bl. 19) vorgelegte Vereinbarung sowie die als Anlage K 15 (Bl. 21) vorgelegte Bestätigung.
Gesellschafter der Klägerin sind zu einem Anteil von 45 % die X Holding GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer R. X. ist. Einen Anteil von 10 % hält die Y Holding GmbH, deren alleiniger Gesellschafter T. Y. ist; dieser ist zudem Geschäftsführer der Beklagten Ziff. 1. Ein Anteil von 45 % an der Klägerin liegt bei der Beklagten Ziff. 2, deren Vorstandsvorsitzender und alleiniger Aktionär W. Z. und welche alleinige Gesellschafterin der Beklagten Ziff. 1 ist.
In § 12 Ziff. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin (Anlage K 18, Bl. 74 ff.) ist für Gesellschafterversammlungen Folgendes bestimmt:
"Die Einberufung erfolgt durch eingeschriebenen Brief an jeden Gesellschafter unter Angabe von Ort, Tag, Zeit und Tagesordnung, mit einer Frist von mindestens zwei Wochen bei ordentlichen Gesellschafterversammlungen und mit einer Frist von mindestens einer Woche bei außerordentlichen Gesellschafterversammlungen. Der Lauf der Frist beginnt mit dem der Aufgabe zur Post folgenden Tag. Der Tag der Versammlung wird bei der Berechnung der Frist nicht mitgezählt."
Die Klage ist in erster Instanz mit an diesem Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 19.7.2012 (Bl. 1 ff.) durch die Anwaltskanzlei Dr. M. & Kollegen für die Klägerin aufgrund einer von deren damaligem Geschäftsführer R. X. unterzeichneten Vollmacht vom 24.4.2012 (Bl. 111) erhoben worden. Durch Verfügung des LG vom 23.7.2012 (Bl. 24) ist Termin auf 22.8.2012 bestimmt und, nachdem dessen Verlegung auf 5.9.2012 oder 12.9.2012 durch Schriftsatz der Beklagten vom 9.8.2012 (Bl. 29) beantragt worden war, dieser Termin mit Verfügung des LG vom 10.8.2012 (Bl. 47) auf 12.9.2012 verlegt worden. Noch vor der mündlichen Verhandlung in erster Instanz am 12.9.2012 (Bl. 105 ff.) hat sich für die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.9.2012 (Bl. 57) ein weiterer Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt B., aufgrund einer von W. Z. für die Klägerin unterzeichneten Vollmacht vom 10.9.2012 (Anlage K 34, Bl. 102; Bl. 110) legitimiert und die Klagrücknahme erklärt. Über deren Wirksamkeit bestand und besteht zwischen den Parteien Streit; die ursprünglichen Prozessbev...