Leitsatz (amtlich)
Zur Berücksichtigungsfähigkeit von Börsenkursen bei der Anteilsbewertung im Falle marginalen außerbörslichen Handels.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 14.07.2006; Aktenzeichen 31 AktE 21/04 KfH) |
Tenor
1. Auf die Beschwerden und Anschlussbeschwerden wird der Beschluss der 31. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 14.7.2006, 31 AktE 21/04 KfH teilweise abgeändert und unter Aufhebung der Festsetzung von Gegenstandswerten insgesamt neu gefasst:
a) Der Antrag des unter der Nr. 32 geführten Antragstellers "Nachlass J." wird zurückgewiesen.
b) Die von der Antragsgegnerin zu leistende Barabfindung gem. § 5 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom 11.5.2004 wird auf 251,18 EUR je Stückaktie festgesetzt.
c) Der von der Antragsgegnerin zu leistende feste Ausgleich gem. § 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom 11.5.2004 wird auf 15,97 EUR je Stückaktie abzgl. Körperschaftsteuerbelastung einschließlich Solidaritätszuschlag in Höhe des jeweils geltenden gesetzlichen Tarifs festgesetzt.
d) Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des unter a) genannten Antragstellers.
e) Für die erste Instanz wird der Geschäftswert auf 1.133.343,48 EUR festgesetzt.
2. Im Übrigen werden die Beschwerden und Anschlussbeschwerden zurückgewiesen.
3. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.133.343,48 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Antragsteller sind oder waren Aktionäre der IAG mit Sitz in S., die mit der Antragsgegnerin als herrschender Gesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags abgeschlossen hat. Die Antragsteller halten die den außenstehenden Aktionären als Ausgleich oder Abfindung angebotenen Beträge für nicht angemessen und sie begehren in diesem Spruchverfahren deshalb eine höhere Festsetzung.
I. Die IAG wurde 1923 gegründet, um nach der Verlegung des S. Hauptbahnhofs freigewordene Gleisflächen in der Innenstadt zu erwerben und zu bebauen. Sie ist Eigentümerin mehrerer gewerblich genutzter Grundstücke im Stadtgebiet von S.. Zunächst bewirtschaftete sie Grundstücke im ehemaligen Gleisbereich, heute in Bahnhofsnähe zwischen K., L. und B. gelegen, später erwarb sie weitere Grundstücke außerhalb dieses Gebiets hinzu, die ebenfalls mit gewerblich genutzten Gebäuden bebaut sind. Zu zwei Grundstücken hat die IAG Erbbaurechte vergeben, die übrigen ihr gehörenden Immobilien sind vermietet, ebenso vier weitere Gebäude, die sie als Erbbauberechtigte auf städtischen Grundstücken errichtet hat (diese Angaben wie alle weiteren im Folgenden genannten Daten beziehen sich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vom 7.7.2004, sofern nicht anders angegeben).
Die IAG tritt zusammen mit zwei weiteren ebenfalls in den Zwanziger-Jahren des 20. Jahrhunderts gegründeten Gesellschaften, der SAG und der BAG, sowie der gemeinsamen Tochter GGmbH unter der Bezeichnung "B. gesellschaften" auf. Die IAG hält 57,58 % der Anteile an der BAG. Die GGmbH wurde von allen drei Gesellschaften als gemeinsame Tochtergesellschaft gegründet, die IAG hält einen Geschäftsanteil von 50 %. Die GGmbH ist Eigentümerin weiterer Geschäftsbauten im Zentrum von S.. Sie hat im Jahr 2000 aufgrund eines Servicevertrags mit den drei B. gesellschaften die Besorgung sämtlicher Geschäfte dieser Gesellschaften mit Ausnahme der Geschäftsführung übernommen. Die Vorstände bzw. Geschäftsführer der drei Aktiengesellschaften und der GGmbH sind personenidentisch.
Das Grundkapital der IAG von 19.500.000 EUR ist in 750.000 Inhaber-Stückaktien aufgeteilt, wovon sich 43.293 Aktien (ca. 5,78 %) im Streubesitz befunden haben. Die restlichen Aktien wurden von der Antragsgegnerin (ca. 84,22 %) und der L. Holding GmbH (10 %), die ihrerseits mit 64,58 % an der Antragsgegnerin beteiligt ist, gehalten. Die Aktien der IAG werden im sog. Telefonhandel bei der V. gehandelt.
Durch Pressemitteilung der B. gesellschaften vom 25.3.2004 wurde die Absicht der Antragsgegnerin bekannt gegeben, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der IAG abzuschließen. Der Vertrag wurde am 11.5.2004 abgeschlossen und durch eine weitere Pressemitteilung vom 13.5.2004 bekannt gegeben. Im Unternehmensvertragsbericht wurde auf der Grundlage eines von der ... Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelten Ertragswerts von 165,7 Mio. EUR ein anteiliger Ertragswert je Aktie von 221,04 EUR angenommen. Im Unternehmensvertrag wurden eine Barabfindung von 225 EUR je Aktie und ein fester Ausgleich von 10,36 EUR je Aktie festgesetzt. Diese Festsetzungen wurden von den gerichtlich bestellten Vertragsprüfern, der ... Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, im Prüfbericht vom 13.5.2004 als angemessen bestätigt.
Die Hauptversammlung der IAG vom 7.7.2004 stimmte dem Abschluss des Beherrschungs- und Ge...