Leitsatz (amtlich)
1. Ein Antrag im Spruchverfahren auf gerichtliche Entscheidung über Abfindung und Ausgleich im Fall eines Unternehmensvertrags (§§ 304, 305 AktG) ist u.a. nur dann zulässig, wenn innerhalb der Antragsfrist schlüssig dargelegt wird, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung noch Aktionär ist.
2. Kommt bei der Anteilsbewertung zur Bemessung der angemessenen Abfindung nach § 305 AktG die Heranziehung eines durchschnittlichen Börsenkurses aus einem Referenzzeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung nicht in Betracht, weil aus diesem Kurs wegen marginalen Handels und volatiler Kurse der Verkehrswert der Aktie zum Stichtag nicht tragfähig abgeleitet werden kann, dann kann als Desinvestitionswert ersatzweise ein Durchschnittskurs aus der Zeit vor Bekanntgabe der beabsichtigten Unternehmensvertrags berücksichtigt werden, wenn selbst bei geringem Handel ein hinreichend stabiles Kursniveau festzustellen ist, so dass die Annahme eines Verkehrswerts in dieser Höhe zum Bewertungsstichtag gerechtfertigt ist.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 14.07.2006; Aktenzeichen 31 AktE 20/04 KfH) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin zu 3 gegen den Beschluss der 31. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 14.7.2006, 31 AktE 20/04 KfH wird zurückgewiesen.
2.a) Auf die übrigen Beschwerden und Anschlussbeschwerden wird Nr. 2 des Beschlusses der 31. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 14.7.2006, 31 AktE 20/04 KfH abgeändert:
Der von der Antragsgegnerin zu leistende feste Ausgleich gem. § 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags vom 11.5.2004 wird auf 30,84 EUR je Stückaktie abzgl. Körperschaftsteuerbelastung einschließlich Solidaritätszuschlag in Höhe des jeweils geltenden gesetzlichen Tarifs festgesetzt.
b) Im Übrigen werden auch diese Beschwerden und Anschlussbeschwerden zurückgewiesen.
3. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.089.878 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die 28 Antragsteller sind oder waren Aktionäre der SAG mit Sitz in S., die mit der Antragsgegnerin als herrschender Gesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags abgeschlossen hat. Die Antragsteller halten die den außenstehenden Aktionären als Ausgleich oder Abfindung angebotenen Beträge für nicht angemessen und sie begehren in diesem Spruchverfahren deshalb eine höhere Festsetzung.
I. Die SAG wurde 1921 gegründet, um nach der Verlegung des S. Hauptbahnhofs freigewordene Innenstadtflächen im Bereich des früheren M. geländes zu erwerben und zu bebauen. Sie ist Eigentümerin des mit einem Hotel bebauten Grundstücks S., am Rande des Schlossgartens, sowie der mit Geschäftsgebäuden bebauten Grundstücke K., also an der Haupteinkaufsstraße von S. gelegen. Die Grundstücke sind teils in Erbbaupacht vergeben und im Übrigen vermietet (diese Angaben wie alle weiteren im Folgenden genannten Daten beziehen sich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vom 2.7.2004, sofern nicht anders angegeben). Die Grundstücke liegen in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs. Die SAG hat außerdem 1990 ein mit einem Geschäftshaus bebautes Grundstück N. in der Innenstadt, aber außerhalb des genannten Gebiets, erworben.
Die SAG tritt zusammen mit zwei weiteren ebenfalls in den Zwanziger-Jahren des 20. Jahrhunderts gegründeten Gesellschaften, der BAG und der IAG, sowie der gemeinsamen Tochter GGmbH (im Folgenden GGmbH) unter der Bezeichnung "B. gesellschaften" auf. Die GGmbH wurde von allen drei Gesellschaften als gemeinsame Tochtergesellschaft gegründet, die SAG hält einen Geschäftsanteil von 25 %. Die GGmbH ist Eigentümerin weiterer Geschäftsbauten im Zentrum von S.. Sie hat im Jahr 2000 aufgrund eines Servicevertrags mit den drei B. gesellschaften die Besorgung sämtlicher Geschäfte dieser Gesellschaften mit Ausnahme der Geschäftsführung übernommen. Die Vorstände bzw. Geschäftsführer der drei Aktiengesellschaften und der GGmbH sind personenidentisch.
Das Grundkapital der SAG von 5.460.000 EUR ist in 210.000 Inhaber-Stückaktien aufgeteilt, wovon die Antragsgegnerin 178.776 Aktien (ca. 85,13 %) gehalten hat. Weitere 21.000 Aktien (10 %) hat die L. Holding gehalten, die an der Antragsgegnerin mit 64,58 % beteiligt ist. Im Streubesitz befanden sich 10.224 Aktien der SAG (ca. 4,87 %). Die Aktien sind an der Börse Stuttgart zum Handel im geregelten Markt zugelassen.
Durch Ad-hoc-Mitteilung vom 24.3.2004 gab die SAG die Absicht der Antragsgegnerin bekannt, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der SAG abzuschließen. Der Vertrag wurde am 11.5.2004 abgeschlossen und durch eine weitere Ad-hoc-Mitteilung bekannt gemacht. Im Unternehmensvertragsbericht wurde auf der Grundlage eines von der ... Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ermittelten Ertragswerts von 89,8 Mio. EUR ein anteiliger Ertragswert je Aktie von 427,41 EUR angenommen. Im Unternehmensve...