Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung: Terminsgebühr im Sorgerechtsverfahren ohne Erörterungstermin

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 155 Abs. 2 Satz 1 FamFG schreibt für den Regelfall die Durchführung eines Erörterungstermins in den in Abs. 1 genannten Verfahren vor. Wird im Einverständnis mit den Beteiligten ohne Termin entschieden, so entsteht gem. VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG gleichwohl eine Terminsgebühr.

2. Beantragte ein Elternteil gem. § 1671 BGB die Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf sich allein, so kann die Terminsgebühr nicht mit der Begründung versagt werden, es liege keiner der in § 155 Abs. 1 FamFG genannten Verfahrensgegenstände vor.

 

Normenkette

FamFG § 155; RVG-VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Heidenheim (Beschluss vom 19.05.2010; Aktenzeichen 1 F 688/09)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des AG Heidenheim - Familiengericht - vom 19.5.2010 (1 F 688/09) wird zurückgewiesen.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. In dem am 9.10.2009 eingeleiteten Verfahren beantragte der Antragsteller, ihm die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind ... (geb ...) zu übertragen. Der Sohn war zunächst im Haushalt der Antragsgegnerin aufgewachsen, wechselte jedoch im Februar 2008 zum Antragsteller, in dessen Obhut er sich seit dem befindet. Der Antragsteller sah für die Weiterführung der gemeinsamen elterlichen Sorge keine Grundlage mehr und wollte stabile Verhältnisse schaffen und den Verbleib von ... bei ihm sicherstellen. Die Antragsgegnerin stimmte dem Sorgerechtsantrag des Antragstellers zu. Angesichts dessen traf das AG Heidenheim - Familiengericht - am 5.11.2009 im Einvernehmen mit den Verfahrensbeteiligten eine Entscheidung über den Sorgerechtsantrag des Antragstellers ohne Durchführung eines Termins und übertrug dem Antragsteller die elterliche Sorge für ... Ebenfalls mit Beschluss vom 5.11.2009 bewilligte das Gericht dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung unter Beiordnung der Beschwerdegegnerin.

Mit Schriftsatz vom 10.11.2009 beantragte die Beschwerdegegnerin, die aus der Staatskasse ihr zu zahlende Vergütung auf einen Gesamtbetrag von 586,07 EUR festzusetzen. Hierin war eine 1,2 Termingebühr gemäß RVG-VV Nr. 3104 aus einem Gegenstandswert von 3.000 EUR i.H.v. 226,80 EUR zzgl. 19 % Mehrwertsteuer enthalten. Mit Beschluss vom 21.1.2010 setzte das AG Heidenheim die Terminsgebühr vom Vergütungsantrag der Beschwerdegegnerin ab unter Hinweis darauf, dass eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat.

Auf die Erinnerung der Beschwerdegegnerin änderte der Familienrichter beim AG Heidenheim mit Beschluss vom 19.5.2010 den Festsetzungsbeschluss vom 21.1.2010 dahingehend ab, dass für die Beschwerdegegnerin auch die Terminsgebühr festzusetzen ist.

Gegen diese ihm am 22.7.2010 zugestellte Entscheidung legte der Bezirksrevisor beim LG Ellwangen namens der Staatskasse Beschwerde ein und begründete diese damit, dass in Verfahren, welche die elterliche Sorge als Ganzes betreffen, bei denen aber der Aufenthalt bereits gefestigt ist, die mündliche Verhandlung nicht zwingend vorgeschrieben sei i.S.v. § 155 Abs. 1 und 2 FamFG.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde der Staatskasse zurückzuweisen. Der Familienrichter beim AG Heidenheim half der Beschwerde der Staatskasse mit Beschluss vom 30.7.2010 nicht ab und legte die Sache dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vor.

II. Das Rechtsmittel der Staatskasse ist gem. §§ 56 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 3 und 7 RVG zulässig. Es ist in der Sache jedoch nicht begründet.

Weil das vorliegende Hauptsacheverfahren nach dem 31.8.2009 eingeleitet wurde, finden die Vorschriften über das Verfahren in Kindschaftssachen (§§ 151 bis 168a) des FamFG Anwendung. Nach § 155 Abs. 1 FamFG sind Verfahren, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls vorrangig und beschleunigt durchzuführen. Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift erörtert das Gericht in den genannten Verfahren die Sache mit den Beteiligten in einem Termin, welcher spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens stattfinden soll. Entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors fallen auch Verfahren, welche die Regelung der elterlichen Sorge insgesamt betreffen, unter diese Vorschrift. Dies ergibt sich hier aus § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB. Danach kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil derselben allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, dass das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht. Dieser Ausnahmefall ist hier bereits angesichts des Alters des Kindes nicht gegeben. Findet eine Teilübertragung der elterlichen Alleinsorge als milderes Mittel nicht statt, so umfasst die Übertragung der Alleinsorge auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht, welches gem. §...

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