Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Abänderung der Prozesskostenhilfebewilligung. Einsatz einer der Altersvorsorge dienenden Lebensversicherung und eines Bausparguthabens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein 38-jähriger Berufstätiger hat den Kapitalwert einer Lebensversicherung, die der Altersvorsorge dienen soll, zur Tilgung von Prozesskosten einzusetzen.

2. Ein zuteilungsreifes Bausparguthaben ist jenseits der Freibeträge nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII ebenfalls einzusetzen.

3. Der Aufwand für Umzugskosten und die Anschaffung neuen Hausrats hat keinen Vorrang vor der Pflicht, Prozesskosten zu bezahlen.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 115 Abs. 3, § 120 Abs. 4; SGB XII § 19 Abs. 2 Nr. 9

 

Verfahrensgang

AG Tettnang (Beschluss vom 24.03.2009; Aktenzeichen 7 F 251/05)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des AG Tettnang - Familiengericht - vom 24.3.2009 - 7 F 251/05, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

1. Im Hauptsacheverfahren wegen Ehescheidung wurde der Antragstellerin mit Beschluss vom 1.7.2005 Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsverpflichtungen bewilligt. Der Rechtsstreit wurde beendet durch Urteil vom 21.3.2006, wonach die Kosten gegeneinander aufgehoben wurden.

Im Nachverfahren änderte die Rechtspflegerin mit Beschluss vom 24.3.2009 die Prozesskostenhilfebewilligung dahin ab, dass die Antragstellerin eine Einmalzahlung von 955,60 EUR zu leisten hat. Begründet wurde die Anordnung damit, dass die Antragstellerin zwischenzeitlich Vermögen erworben hat, das das Schonvermögen erheblich übersteigt. Sie verfügt über ein Bausparguthaben von 4.382,63 EUR und eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 3.462 EUR.

Gegen die am 3.4.2009 zugestellte Entscheidung hat die Antragstellerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten am 4./6.5.2009 Beschwerde eingelegt, weil das zum 1.7.2009 ausgezahlte Bausparguthaben für Umzugskosten, z.B. eine neue Kücheneinrichtung, benötigt worden sei und es sich bei der Lebensversicherung um eine angemessene Altersversorgung handle.

Die Vertreterin der Staatskasse ist dem Rechtsmittel entgegengetreten und die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen, sondern mit Beschluss vom 25.6.2009 die Akte dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung vom 24.3.2009, der Beschwerdebegründung vom 4.5.2009, der Stellungnahme der Bezirksrevisorin vom 4.6.2009 und des Vorlagebeschlusses vom 25.6.2009 wird verwiesen.

2. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (§§ 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG), hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Gemäß § 120 Abs. 4 ZPO ist innerhalb der Vierjahresfrist eine nachteilige Änderung der Prozesskostenhilfebewilligung möglich und im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens geboten, wenn sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin nach Erlass der PKH-Entscheidung wesentlich verbessert haben (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 120 Rz. 9 m.w.N.).

Die Antragstellerin ist 38 Jahre alt und berufstätig. Sie hat während der Ehezeit - bezogen auf den 30.4.2005 - eigene Rentenanwartschaften i.H.v. 325,25 EUR erworben. Über den Versorgungsausgleich kamen 85,15 EUR hinzu, so dass die Rentenanwartschaften bereits vor vier Jahren 410,40 EUR betragen haben und zwischenzeitlich weiter angewachsen sind. Zur zusätzlichen Altersversorgung besteht zugunsten der Antragstellerin eine (Kapital-)Lebensversicherung, deren Rückkaufswert derzeit 3.462 EUR beträgt und sich zum 1.9.2004 auf 2.051 EUR zzgl. Überschussbeteiligung von 489 EUR, insgesamt auf 2.540 EUR, belaufen hatte.

Außerdem verfügt sie über ein Bausparguthaben, das am 31.12.2004 einen Kontostand von 1.695,44 EUR aufwies und am 31.12.2008 einen solchen von 4.332,63 EUR.

Hierdurch ist die von § 120 Abs. 4 ZPO geforderte wesentliche Verbesserung ihrer Vermögensverhältnisse eingetreten.

Nach § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei ihr Vermögen vorrangig zur Finanzierung der Prozesskosten einzusetzen, soweit dies zumutbar ist, wobei § 90 SGB XII entsprechend gilt.

Der Einsatz von Lebensversicherungen, die der Altersvorsorge dienen, ist - sofern es sich nicht um die sog. Riester-Rente handelt - umstritten (OLG Karlsruhe MDR 2008, 284; OLGReport Celle 2007, 751; OLGReport Naumburg 2007, 43 und 847; OLGReport Stuttgart 2007, 639, 1036 und 1038; OLGReport Stuttgart 2006, 723; OLGReport Saarbrücken 2006, 361 und 654; OLG Brandenburg NJW-RR 2006, 1301; OLG Frankfurt FamRZ 2006, 135; OLGReport Naumburg 2005, 800; OLGReport Stuttgart 2002, 59; je m.w.N.).

In der obergerichtlichen Rechtsprechung werden jedoch zunehmend verschärfte Anforderungen an die Unzumutbarkeit der Verwertung von Vermögenswerten innerhalb der Prüfung der Bedürftigkeit der begehrten Prozesskostenhilfe gestellt. Altersvorsorgeverträge, deren Ansparung staatlich gefördert werden (sog. Riester- oder Rürup-Renten), sind gem. §...

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