Leitsatz (amtlich)

1. Der Beschuldigte kann gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft, einem Untersuchungsausschuss des Landestags von Baden-Württemberg Einsicht in die Akten des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens zu gewähren, Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff EGGVG stellen.

2. Es ist jedenfalls dann nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, solche Aktenteile auszusondern, die den privaten Bereich des Antragstellers betreffen, wenn der Untersuchungsausschuss Vorkehrungen trifft, um die persönlichen Daten des Antragstellers zu schützen.

3. Der Aktenbegriff in § 14 UAG Bad.-Württ. ist mit dem Aktenbegriff in § 147 StPO identisch.

 

Tenor

Die Anträge

  • 1.

    festzustellen, dass die seitens der Staatsanwaltschaft beabsichtigte Überlassung von Kopien der gesamten Ermittlungsakten an den Untersuchungsausschuss des Landes Baden-Württemberg rechtswidrig sei,

  • 2.

    der Staatsanwaltschaft die Herausgabe der vorgenannten Kopien vorläufig bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Antrag zu 1. zu untersagen

werden als unbegründet

v e r w o r f e n .

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Geschäftswert, aus dem die zu entrichtende Gebühr zu berechnen ist, wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Beschuldigter des bei der Staatsanwaltschaft

geführten Ermittlungsverfahrens. In diesem Verfahren stellte die Staatsanwaltschaft aufgrund von Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichts in der Wohnung des Antragstellers und im Unterlagen und Gegenstände sicher, deren Durchsicht gemäß § 110 StPO noch nicht abgeschlossen ist.

Der Landtag von Baden-Württemberg hat den Untersuchungsausschuss ..... eingesetzt. Mit Schreiben vom 04. Oktober 2012 hat der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses die Staatsanwaltschaft um Vorlage der Ermittlungsakten ersucht.

Mit Antrag vom 29. Oktober 2012 begehrt der Antragsteller die Feststellung, die seitens der Staatsanwaltschaft beabsichtigte Überlassung von Kopien der gesamten Ermittlungsakte an den Untersuchungsausschuss sei rechtswidrig. Insbesondere sollen sich zahlreiche Unterlagen, die den privaten Bereich des Antragstellers betreffen, wie beispielsweise Arbeitsverträge, Dokumente zu seinen finanziellen Verhältnissen und auch Schriftverkehr mit seinen Verteidigern, in den Ermittlungsakten befinden.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1.

a)

Der Rechtsweg nach den §§ 23 ff. EGGVG ist vorliegend eröffnet.

Danach entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte, sofern über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten unter anderem auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden, zu befinden ist. Dem liegt in Abweichung von der Generalklausel des § 40 VwGO die gesetzgeberische Annahme zugrunde, dass bei Justizverwaltungsakten innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit diese als sachnäher anzusehen ist (Kissel/Mayer, GVG, 6. Auflage, § 23 EGGVG Rn. 6). Die vorliegend seitens des Untersuchungsausschusses des Landtags Baden-Württemberg begehrte und seitens der Staatsanwaltschaft Stuttgart zu gewährende Akteneinsicht muss dabei nicht notwendigerweise die formellen Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes im Sinne der §§ 23 Abs. 2 EGGVG, 35 VwVfG besitzen; es genügt insoweit vielmehr schlichtes Verwaltungshandeln mit unmittelbarer Außenwirkung (Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 23 EGGVG Rn. 6; Schoreit in Karlsruher Kommentar, StPO, § 23 EGGVG Rn. 20). Überdies ist die zu gewährende Akteneinsicht unzweifelhaft aufgrund ihrer funktionellen Einordnung im Rechtsgefüge als Maßnahme der Strafrechtspflege anzusehen (BGHSt 46, 261 [265]).

Ferner greift auch die Subsidiaritätsklausel des § 23 Abs. 3 EGGVG nicht. Es fehlt den durch Strafverfahrensänderungsgesetz vom 02. August 2000 (BGBl. I S. 1253) eingefügten Regelungen zur Gewährung von Akteneinsicht in Strafsachen nach den §§ 474 ff. StPO in Fällen wie dem Vorliegenden an einer Anfechtungsmöglichkeit, da eine solche für die Akteneinsichtsgewährung an "... andere öffentliche Stellen ..." nach § 474 StPO in § 478 StPO nicht vorgesehen ist. Überdies regelt § 474 Abs. 6 StPO, dass sich die Gewährung von Akteneinsicht an parlamentarische Ausschüsse nach entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen und nicht nach der Strafprozessordnung richtet. Zwar hat der Bundesgesetzgeber mit Schaffung des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1142) mit den dortigen §§ 18, 36 PUAG Regelungen geschaffen, die den Rechtsweg nach den §§ 23 ff. EGGVG verdrängen (BVerfGE 124, 78; Kissel/Mayer, a.a.O. Einleitung Rn. 181; Böttcher in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 23 EGGVG Rn. 51). Der Landesgesetzgeber in Baden-Württemberg hat jedoch auf der Grundlage von Art. 35 Abs. 4 der Landesverfassung (LV) im Gesetz über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüss...

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