Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit einer einstweiligen Anordnung zum Umgang oder zur Herausgabe eines Kindes in Sorgerechtsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff der Hauptsache in § 50 Abs. 1 Satz 2 FamFG umfasst nur Hauptsachveverfahren mit demselben Verfahrensgegenstand wie das einstweilige Anordnungsverfahren.
2. Verfahren auf Heruasgabe des Kindes und auf Regelung des Umgangs mit dem Kind haben nicht denselben Verfahrensgegenstand wie ein Verfahren über die elterliche Sorge.
Normenkette
FamFG § 50 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Besigheim (Aktenzeichen 2 F 701/08) |
Tenor
Das OLG Stuttgart erklärt sich im Verfahren der einstweiligen Anordnung für sachlich unzuständig und verweist das Verfahren an das AG - Familiengericht - Besigheim.
Gründe
Das Verfahren der einstweiligen Anordnung unterliegt nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG dem nach dem 1.9.2009 geltenden Recht, da es nach diesem Stichtag eingeleitet wurde. Die Anhängigkeit des Verfahrens über die elterliche Sorge, das dem vor dem Stichtag geltenden Recht unterliegt, beim Beschwerdegericht ändert daran nichts. Die Antragstellerin im einstweiligen Anordnungsverfahren hat sich zur Begründung der von ihr angenommenen Zuständigkeit des OLG ausdrücklich auf § 50 Abs. 1 Satz 2 FamFG berufen und damit zum Ausdruck gebracht, dass ein Verfahren nach neuem Recht eingeleitet werden sollte.
Das OLG Stuttgart ist für das Verfahren der einstweiligen Anordnung, das ein selbständiges Verfahren ist (§ 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG), sachlich nicht zuständig. Die sachliche Zuständigkeit ist nach § 51 Abs. 2 Satz 1 FamFG i.V.m. § 23a Abs. 1 Satz 2 GVG eine ausschließliche, so dass ihr Fehlen nicht durch rügelose Einlassung überwunden werden kann.
Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 FamFG ist das Gericht zuständig, das für die Hauptsache im ersten Rechtszug zuständig wäre, dies ist vorliegend das AG - Familiengericht - Besigheim (§ 23a Abs. 1 GVG, § 152 Abs. 2 FamFG).
Für eine Zuständigkeit des OLG nach § 50 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist Voraussetzung, dass die Hauptsache beim Beschwerdegericht anhängig ist; hierunter fällt ein Hauptsacheverfahren jedoch nur dann, wenn es denselben Verfahrensgegenstand betrifft wie das einstweilige Anordnungsverfahren. Dies ergibt sich aus dem in der Begründung des Regierungsentwurfs zum FGG-RG enthaltenen Hinweis auf § 937 ZPO (BT-Drucks. 16/6308, 200). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Das anhängige Beschwerdeverfahren betrifft die Frage, ob die elterliche Sorge für das Kind L. auf den Vater allein zu übertragen ist und ob der Mutter die elterliche Sorge für das Kind A. wegen einer Gefährdung des Kindeswohls entzogen werden muss, demgegenüber betrifft das einstweilige Anordnungsverfahren das Begehren der Mutter auf Herausgabe der sich beim Vater aufhaltenden Kinder sowie das Umgangsrecht (vgl. § 151 Nr. 2, 3 FamFG). Die Verfahrensgegenstände sind damit nicht in der von § 50 Abs. 1 Satz 2 FamFG geforderten Weise deckungsgleich. Dass sie sich in einem weiteren Sinn auf die elterliche Verantwortung für die beiden Kinder beziehen, reicht nicht aus.
Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist daher nach § 3 Abs. 1 FamFG von Amts wegen an das AG - Familiengericht - Besigheim zu verweisen. Die Verweisung umfasst auch den in diesem Verfahren gestellten Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
Fundstellen
FamRZ 2010, 1828 |
FPR 2010, 6 |