Entscheidungsstichwort (Thema)
Untreue
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verfahrensverstoß gegen § 261 StPO liegt vor, wenn im Urteil wesentliche entscheidungserhebliche Einzelheiten einer in der Hauptverhandlung eingeführten Urkunde nicht erörtert werden.
2. Das Revisionsgericht kann unter Aufrechterhaltung der Gesamtstrafe analog § 354 Abs. 1 StPO die Einzelstrafen neu festsetzen und den Schuldspruch von Tatmehrheit in neu zusammengefasste Tateinheiten berichtigen, wenn die richtige Bestimmung der Konkurrenzen zu keinen Veränderungen des Unrechts- bzw. des Schuldumfangs führt, so dass es keiner Zurückverweisung der Sache zur erneuten Straffestsetzung bedarf.
Normenkette
StPO §§ 261, 354 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Urteil vom 16.12.2002; Aktenzeichen 6 Ns 31 Js 23123/01) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 16. Dezember 2002 im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte der Untreue in 335 Fällen schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Die Angeklagte trägt die Kosten ihres Rechtsmittels
Tatbestand
I. Das Landgericht hat die Angeklagte wegen „Untreue in 916 Fällen” zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie das Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs. Im übrigen bleibt es ohne Erfolg (§ 349 Absatz 2 StPO).
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Urteilsfeststellungen zum Sachverhalt sind knapp; sie tragen aber noch ausreichend eine Verurteilung wegen Untreue.
2. Die Auflistung der einzelnen Taten nennt insgesamt 919 Fälle (Seite 6 bis 29). Die Fälle 842, 848 und 884 sind jedoch nicht in der im Selbstleseverfahren gemäß § 249 Absatz 2 StPO in die Verhandlung eingeführten „Übersicht über die Buchungen 1201 und 1902” enthalten. Da die Kammer lediglich wegen 916 Fällen – so auch die zugelassene Anklage – verurteilt und auch der Strafzumessung 916 Fälle zugrunde gelegt hat, ist die Angeklagte insoweit nicht beschwert.
3. Dass in den Urteilsgründen bei der Strafzumessung lediglich 803 der 916 Fälle angeführt sind (Seite 32 f.) beruht offensichtlich auf einem Versehen. Die für die „fehlenden” Taten jeweils verhängten Strafen ergeben sich eindeutig aus der übrigen Begründung, nachdem letztlich an der Höhe des jeweiligen Buchungsbetrages angeknüpft wurde.
4. Die Revisionsführerin rügt, dass die Strafkammer „die Beträge der von der Angeklagten vorgenommenen Falschbuchungen zu dem Gesamtbetrag von 21.805.400 DM (laut Urteil: 21.805.500 DM) aufaddiert” habe. Dies werde der Sache nicht gerecht.
Das Landgericht hat in den Feststellungen zum Ablauf der Taten durchaus zutreffend eine solche Addition vorgenommen als die Gesamtsumme derjenigen Buchungen, die die Angeklagte auf ihre beiden Privat-Post-Girokonten durchgeführt hat.
Wie der Senat aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen kann, war der Kammer bei der Strafzumessung bewusst, dass die Angeklagte das auf ihre Privatkonten gebuchte Geld – zeitversetzt – immer wieder dazu benutzte, um für einen Ausgleich auf ihrem Einzahlungskonto bei der Dresdner Bank zu sorgen, so dass sie mithin ständig quasi „Schadenswiedergutmachungen” erbrachte. Andernfalls wäre das von ihr durchgeführte System in kürzester Zeit zusammengebrochen. Nichts desto trotz sind die jeweiligen „Schäden” – zunächst – immer wieder, sei es faktisch auch nur als Gefährdungsschäden, eingetreten. Die Kammer versteht erkennbar unter dem „Gefährdungsschaden von insgesamt über 20.000.000,00 DM” (Seite 32) die Summe der aus den einzelnen Tathandlungen herrührenden Schäden oder Gefährdungsschäden.
Bei der Strafzumessung berücksichtigt die Kammer als strafschärfendes Kriterium u.a. die „Vielzahl der … vorgenommenen Buchungen mit einem Gefährdungsschaden von insgesamt über 20.000.000,00 DM” (Seite 32). Der Senat kann aus den übrigen Erwägungen zur Strafzumessung noch ausreichend sicher entnehmen, dass die Kammer insoweit auf das durch die Vielzahl der Taten und den langen Zeitraum ihrer Begehung erkennbar werdende erhöhte Maß an krimineller Energie der Angeklagten hingewiesen hat. Dafür sprechen auch die verhängten relativ niedrigen Einzelstrafen. Eine unzulässige Doppelverwertung kann mithin ausgeschlossen werden.
Bei der Gesamtstrafenbildung hat die Kammer ausschließlich zu Gunsten der Angeklagten sprechende Umstände berücksichtigt.
5. Die Rüge der Verletzung von § 265 Abs. 1 StPO greift nicht durch. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft, denen der Senat beitritt, Bezug genommen.
6. Der Schuldspruch bedarf der Änderung.
Die Strafkammer hat wegen 916 Einzeltaten verurteilt.
Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft handelt es sich bei der Rüge, dass der Inhalt der im Selbstleseverfahren eingeführten Buchungsauflistung der Deutschen ...