Leitsatz (amtlich)
1. Nachdem nunmehr die prozessuale Situation des § 307 Abs. 2 ZPO a.F. auf das gesamte zivilprozessuale Verfahren ausgedehnt wurde, ist Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. VV/RVG auf den Erlass eines Anerkenntnisurteils ohne mündliche Verhandlung nicht nur im schriftlichen Vorverfahren, sondern auf solche Urteile im gesamten Zivilprozess anzuwenden.
2. Ob die Regelung des Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV angesichts des Zwecks dieser Norm und des Umfangs der Tätigkeit der jeweiligen Prozessbevollmächtigten beider Seiten im Einzelnen angemessen ist, ist außerdem des Verfassungsrechts der Beurteilung der Judikative entzogen und fällt allein in den Verwantwortungsbereich der Legislative.
3. Die Gebühr i.H.v. 1,2 nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 RVG-VV ist bei Erlass eines Anerkenntnisurteils ohne mündliche Verhandlung nicht durch eine erweiternde Auslegung des Nr. 3105 RVG-VV auf 0,5 zu reduzieren.8 W 183/05
Normenkette
ZPO n.F. § 307; RVG-VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Ellwangen (Beschluss vom 21.02.2005) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Ellwangen vom 21.2.2005 i.d.F. des Beschlusses vom 14.4.2005 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die mit der Zurückweisung seiner sofortigen Beschwerde angefallene Gerichtsgebühr. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Beschwerdewert: 3.596,77 EUR.
Gründe
I. Nach Abschluss des schriftlichen Vorverfahrens erkannte der Beklagte schriftsätzlich die Klageforderung vor Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung an. Der anberaumte Termin zur Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung wurde daraufhin aufgehoben und vom LG Ellwangen ein Anerkenntnis- Vorbehalts-Urteil im Urkundenprozess erlassen und den Parteien zugestellt. Nach diesem Urteil hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Klägerin beantragte die Festsetzung ihrer Kosten gegen den Beklagten, darunter eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV i.H.v. 1.624,80 EUR zzgl. Mehrwertsteuer.
Mit Beschl. v. 21.2.2005 setzte die Rechtspflegerin des LG Ellwangen die vom Beklagten der Klägerin zu erstattenden Kosten mit 6.517,80 EUR nebst Zinsen fest. Gegen den am 23.2.2005 zugestellten Beschluss legte der Beklagte am 24.2.2005 die sofortige Beschwerde ein, der die Rechtspflegerin des LG Ellwangen mit Beschl. v. 14.4.2005 bezüglich dem gerügten Ansatz von drei Gerichtsgebühren abhalf. Bezüglich der Einwendung der Beklagten gegen die Festsetzung einer Terminsgebühr hat die Rechtspflegerin eine Abhilfe abgelehnt und die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beklagte ist der Ansicht, für den Ansatz einer Terminsgebühr enthalte Nr. 3104 RVG-VV keine Rechtsgrundlage, weil in dessen Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 lediglich auf § 307 Abs. 2 ZPO verwiesen werde, der jedoch durch die Neufassung des § 307 ZPO seit dem 1.9.2004 entfallen sei. Im Übrigen sei Nr. 3104 RVG-VV insoweit verfassungswidrig und müsse im Hinblick auf Nr. 3105 RVG-VV einschränkend dahin ausgelegt werden, dass allenfalls eine auf 0,5 ermäßigte Terminsgebühr entstanden sei.
Die Klägerin ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten.
II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig, aber in der Sache unbegründet.
1. Der Ansatz einer 1,2-Terminsgebühr findet seine Grundlage in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 RVG-VV.
Während § 307 ZPO i.d.F. vor dem 1.9.2004 ein Anerkenntnisurteil ohne mündliche Verhandlung grundsätzlich nur im Rahmen des schriftlichen Vorverfahrens nach § 276 Abs. 1 ZPO erlaubte (§ 307 Abs. 2 ZPO), wurde der Erlass eines Anerkenntnisurteils ohne mündliche Verhandlung durch die Neufassung des § 307 ZPO ab dem 1.9.2004 für den gesamten Zivilprozess zugelassen. Nachdem nunmehr die prozessuale Situation des § 307 Abs. 2 ZPO a.F. auf das gesamte zivilprozessuale Verfahren ausgedehnt wurde, ist Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 RVG-VV auf den Erlass eines Anerkenntnisurteils ohne mündliche Verhandlung nicht nur im schriftlichen Vorverfahren, sondern auf solche Urteile im gesamten Zivilprozess anzuwenden. Der Text des Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV wurde lediglich aufgrund eines gesetzgeberischen Versehens nicht an die Neufassung des § 307 ZPO angepasst. Vom Sinn und Zweck des Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV und der Entstehungsgeschichte des § 307 ZPO ist deshalb Nr. 3104 Abs. 1 S. 1 RVG-VV dahin auszulegen, dass sämtliche Anerkenntnisurteile, die nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehen, gebührenrechtlich erfasst werden sollen (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 307 Rz. 12 a.E.).
2. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 RVG-VV ist weder wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 GG verfassungswidrig noch durch eine analoge Anwendung des Nr. 3105 RVG-VV einzuschränken.
a) Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor, weil hier nicht vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden (vgl. auch unten unter b)) und die Regelung des Nr. 3104 RVG-VV sac...