Leitsatz (amtlich)

Überträgt eine Behörde die Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht an ein privates Unternehmen, so ist die Aufgabenübertragung zugrunde liegende Vereinbarung zwischen der Behörde und dem Unternehmen jedenfalls dann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, wenn sich die Behörde zumindest zeitweilig aus der Aufgabenerfüllung zurückzieht und das private Unternehmen zur Einhaltung der für die Behörde geltenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen verpflichtet wird.

 

Normenkette

GVG § 13; SGG § 51

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 08.06.2009; Aktenzeichen 15 O 214/08)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers sowie die Anschlussbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters der 15. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 8.6.2009 - 15 O 214/08 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

4. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 13.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A.1. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der O., die u.a. auf dem Gebiet der Vermittlung von Arbeitnehmern tätig war. Beklagt ist die B.

Die Insolvenzschuldnerin schloss mit der Beklagten am 23.01. bzw. 2.2.2004 einen Vertrag zur Beauftragung Dritter mit der Vermittlung nach § 37 SGB III (in der damals geltenden Fassung). Gegenstand des Vertrages war die Unterstützung der Beklagten bei ihren Vermittlungstätigkeiten durch Durchführung von Maßnahmen. Konkret wurde der Leistungsgegenstand in § 15 des Vertrages wie folgt umschrieben:

"(1) Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Vermittlung der von ihm in der Größenordnung des als Anlage beigefügten Los- und Preisblattes zugewiesenen Bewerber der angeführten Zielgruppen in betriebliche Ausbildungsverhältnisse und/oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im ersten Arbeitsmarkt.

(2) Die Beauftragung des Dritten umfasst alle Tätigkeiten, die zum Erfolg i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB III führen. Art und Umfang richten sich nach den individuellen Erfordernissen. Wie der Ermittlungserfolg herbeigeführt wird, bleibt dem Auftragnehmer überlassen. Die vom Auftragnehmer zu erreichende Eingliederungserwartung ist dem beigefügten Losblatt zu entnehmen."

Als Vergütung war eine Aufwandspauschale sowie ein Erfolgshonorar vereinbart. Vertragsbestandteile waren nach § 2 des Vertrages in der genannten Reihenfolge die Bedingungen des Vertrages und dessen Anlagen, die Leistungsbeschreibung zur Ausschreibung, das Angebot der Insolvenzschuldnerin vom 20.11.2003 auf der Grundlage der Leistungsbeschreibung, die VOL/B in der jeweils aktuellen Fassung sowie im Übrigen die Bestimmungen des BGB.

Die Insolvenzschuldnerin war nach § 6 des Vertrages zur Einhaltung der bei der Vermittlungstätigkeit relevanten gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet. Im Einzelnen wurde hierzu im Vertrag u.a. Folgendes geregelt:

"(1) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die bei seiner Vermittlungstätigkeit relevanten gesetzlichen Bestimmungen zu beachten. Richten sich dabei gesetzliche Bestimmungen an den Auftraggeber, so gelten sie auch für den Auftragnehmer entsprechend. Dies gilt insbesondere für die §§ 35 Abs. 2 Satz 2 und 36 SGB III. Der Auftragnehmer darf für seine Tätigkeit weder vom Arbeitgeber noch vom zugewiesenen Bewerber eine Vergütung erheben."

(2) Der Auftragnehmer ist verpflichtet, die datenschutzrechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Vorschriften zum Sozialdatenschutz, einzuhalten ..."

Der Kläger macht mit der Klage Honorarforderungen von insgesamt 62.176,52 EUR geltend. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Beide Parteien sind der Auffassung, dass der ordentliche Rechtsweg gegeben sei. Es handele sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Der zwischen ihnen geschlossene Vertrag sei privatrechtlicher Natur. Es liege kein Über- und Unterordnungsverhältnis vor. Unerheblich sei, dass hierdurch eine öffentliche Aufgabe erfüllt werde. Es handele sich um ein Beschaffungsgeschäft. Auch mit Blick auf die vorangegangene Ausschreibung sei daher zwingend von einem privatrechtlichen Vertrag auszugehen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Vertrag auf die Vorschriften des BGB verweise und - wie in privatrechtlichen Verträgen üblich - ein Gerichtsstand vereinbart worden sei.

2. Das LG hat im angefochtenen Beschluss den Zivilrechtsweg für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Sozialgericht Düsseldorf verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die zum inhaltsgleichen Vertrag ergangene Entscheidung des OLG Celle vom 12.12.2008 - 11 W 43/08 (OLGReport Celle 2009, 111) verwiesen.

3. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass der ordentliche Rechtsweg gegeben sei. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die mit der Klage geltend gemachten Honoraransprüche privatrechtlicher Natur seien. Daneben wird der erstinstanzliche Vortrag vertieft.

Der Kläger beantragt, den Beschluss des LG Stuttgart ...

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