Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Ehescheidung vor Ablauf des Trennungsjahrs ohne gleichzeitige Entscheidung über den Versorgungsausgleich
Verfahrensgang
AG Göppingen (Beschluss vom 18.03.2015; Aktenzeichen 10 F 71/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Göppingen vom 18.03.2015 (10 F 71/15) aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Scheidung der Ehe vor Ablauf des Trennungsjahres.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben die Ehe am ... geschlossen. Aus der Ehe ist der volljährige Sohn ..., geboren ..., hervorgegangen. Der Ehescheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 29.01.2015 zugestellt. Die Antragstellerin ist erwerbsunfähig und bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente, der Antragsgegner ist selbständig als Geschäftsführer einer GmbH tätig. Im Jahr ... ist die Antragstellerin an einem bösartigen ... erkrankt. Seitdem ist sie regelmäßig in ärztlicher Behandlung. Mittlerweile erfolgt nur noch eine palliative Behandlung. Es werden ihr keine Heilungschancen prognostiziert. Ihre Lebenserwartung ist unsicher. Spätestens im September 2014 hat der Antragsgegner eine andere Frau kennengelernt, mit welcher er mittlerweile eine Beziehung führt. Im September 2014 hat er mit dieser Frau ein Wochenende in einem Hotel in ... verbracht und im Oktober 2014 gemeinsam ein Spiel von ... besucht.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Familiengericht auf Antrag der Antragstellerin den Versorgungsausgleich abgetrennt und die Ehe der Beteiligten geschieden. Es hat dieses damit begründet, dass der Ehebruch und das Nachaußentragen der Beziehung aufgrund der gesundheitlichen Situation der Antragstellerin und der Belastung mit wiederholten Chemotherapien und Operationen eine unerträgliche Situation darstellten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 20.03.2015 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 17.04.2015 Beschwerde eingelegt und beantragt die Zurückweisung des Scheidungsantrags. Er begründet seine Beschwerde damit, dass der Antragstellerin das Zuwarten bis zum Ablauf des Trennungsjahres zugemutet werden könne. Die gesundheitliche Situation der Antragstellerin habe das gesamte Familienleben belastet. Er sei seit der Erkrankung ebenfalls psychisch stark belastet und habe in seiner jetzigen Freundin eine Ansprechpartnerin gefunden, die ihm in dieser schwierigen Situation Gehör schenkte. Seit Jahren habe er die Antragstellerin begleitet. Seit Januar 2015 habe er sich nicht mehr in der Lage gesehen, diese schwierige Situation zu meistern. Daher sei es zur endgültigen Trennung gekommen. Das Familiengericht hätte auch seine psychische Situation berücksichtigen müssen. Neue Erkenntnisse der Palliativmedizin bestätigten, dass Angehörige aufgrund dieser Situation erheblich belastet würden.
Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen. Sie bestreitet die psychische Belastung des Antragsgegners. Der Treuebruch des Antragsgegners sei besonders erniedrigend, da er während ihrer krankheitsbedingten Abwesenheit mit seiner Freundin nicht nur in der Ehewohnung verweilt, sondern sogar im Ehebett mit ihr geschlechtlich verkehrt habe. Ferner unternehme er alles, um ihre ohnehin schwierige gesundheitliche Situation weiter zu destabilisieren.
II. Die nach gewährter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist insoweit begründet, als dass der Versorgungsausgleich nicht hätte abgetrennt werden dürfen. Der Beschluss des Familiengerichtes ist daher aufzuheben und zur weiteren Verhandlung zurückzuverweisen.
1. Entgegen dem Einwand des Antragsgegners ist ein Härtegrund im Sinne von § 1565 Abs. 2 BGB gegeben, der eine Ehescheidung schon vor Ablauf des Trennungsjahres ermöglicht.
Nach § 1565 Abs. 1 S. 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Sie ist als gescheitert anzusehen, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen, § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner lehnen eine Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft ab, der Antragsgegner hält an seiner neuen Partnerschaft fest. Von einem Scheitern der Ehe ist also auszugehen. Grundsätzlich ist für die Ehescheidung weiter vorausgesetzt, dass die Ehegatten mindestens ein Jahr getrennt leben. Gemäß § 1565 Abs. 2 BGB kann die Ehe, sofern die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt leben, nur dann geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Unstreitig ist das Trennungsjahr vorliegend noch nicht abgelaufen. Die Antragstellerin ist am zweiten Weihnachtsfeiertag...