Leitsatz (amtlich)

Die Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit gem. §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO kann grundsätzlich nicht allein darauf gestützt werden, dass der Sachverständige und die Gegenpartei in beruflichen Beziehungen zu einem Dritten stehen.

 

Normenkette

ZPO § 406 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hechingen (Beschluss vom 18.12.2009; Aktenzeichen 2 O 222/2009)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Hechingen vom 18.12.2009 - 2 O 222/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des LG Hechingen vom 18.12.2009 - 2 O 222/09, durch den ihr gegen den Sachverständigen Prof. Dr. W. gerichteter Befangenheitsantrag für unbegründet erklärt wurde. Sie verfolgt ihr Begehren weiter, welches sie auf folgende Erwägungen stützt:

Der beauftragte Sachverständige sei Ärztlicher Direktor der B., die seit ihrem Bestehen eng mit dem Universitätsklinikum (Ort)... zusammenarbeite und für dieses die Aufgaben der Patientenversorgung auf dem Gebiet Unfall- sowie der Hand-, plastischen- und Verbrennungschirurgie sowie auf diesen Gebieten auch Aufgaben der Forschung und Lehre wahrnehme. Da das beklagte Klinikum Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität (Ort)... sei, bestehe eine enge berufliche Zusammenarbeit und Kooperation zwischen der Unfallchirurgie der Beklagten einerseits und dem gerichtlichen Sachverständigen andererseits, die Zweifel an der Unparteilichkeit begründe und die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertige.

Das LG hat die Ablehnung für unbegründet erklärt. Die Klägerin wiederholt und vertieft in der sofortigen Beschwerde ihre Argumentation.

Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die Stellungnahme des Sachverständigen und die Beschwerdeschrift Bezug genommen.

II. Die gem. §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Gründe, die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (§§ 406 Abs. 1 42 Abs. 2 ZPO), liegen nicht vor.

1. Gemäß §§ 406 Abs. 1, 42 Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Derartige Gründe können sich auch aus bestehenden persönlichen oder beruflichen Beziehungen ergeben, wenn diese so beschaffen sind, dass aus der Sicht einer objektiven, ruhig und vernünftig urteilenden Partei der Eindruck entstehen kann, der Sachverständige stehe der anderen Partei näher und lasse sich davon möglicher Weise in seiner Beurteilung beeinflussen. Dementsprechend hat der Senat entschieden (OLG Stuttgart, GesR 2008, 424 = OLGR 2008, 618), dass hinsichtlich eines Sachverständigen, der Chefarzt in einem akademischen Lehrkrankenhaus einer Partei des Rechtsstreits ist, auf Grund dieser Stellung die begründete Besorgnis der Befangenheit besteht, weil aus der maßgeblichen Sicht der anderen Partei die Gefahr von Interessenkonflikten und Rücksichtnahmen nicht ausgeschlossen werden kann.

In Abgrenzung dazu hat der Senat aber auch entschieden (OLG Stuttgart, GesR 2008, 424 = OLGR 2008, 617), dass ein Sachverständiger, der in einem Akademischen Lehrkrankenhaus einer Universität tätig ist, allein deshalb in einem Prozess unter Beteiligung eines anderen Akademischen Lehrkrankenhauses derselben Universität nicht mit Erfolg wegen dieser mittelbaren Verbindung zu einer Partei abgelehnt werden kann, weil insbesondere im Falle des Nachweises eines Behandlungsfehlers nicht der Ruf aller akademischen Lehrkrankenhäuser gefährdet ist, so dass es fern liegt, dass sich der Sachverständige durch derartige Überlegungen leiten lassen könnte.

2. Im vorliegenden Fall genügen die festgestellten und vom Sachverständigen in seiner Stellungnahme bestätigten Verbindungen zur Universität (Ort)... bzw. zum Universitätsklinikum (Ort)... nicht, um im Verhältnis zur Klägerin die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Persönliche oder berufliche Verbindungen eines Sachverständigen zu einem Dritten sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Ablehnung zu rechtfertigen, wenn nicht zugleich direkt Beziehungen zu einer Partei des Rechtsstreits damit verbunden sind. Dies ist vorliegend nicht in einem Maße der Fall, dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 ZPO gegeben sind.

Es ist nicht konkret dargelegt und nicht ersichtlich, dass der Sachverständige zu den Ärzten der Beklagten in Beziehungen steht, die über einen üblichen kollegialen Kontakt hinausreichen. Dass - was jedenfalls nicht fern liegt - auf Grund der räumlichen Nähe der Kliniken ein gelegentlicher oder auch regelmäßiger Patientenaustausch stattfinden mag, genügt nicht, um daraus ohne zusätzliche Anknüpfungspunkte die Besorgnis herzuleiten, der Sachverständige stehe der Beklagten so nahe, dass er zu einer unbefangenen Beurteilung der Fachfragen nicht Willens oder im Stande sei. Ob die Ausw...

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