Leitsatz (amtlich)
1. Zur Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit bei Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung.
2. Zur Reichweite der Pflichten des Zivilgerichts, einer Prozesspartei zu ermöglichen, Einwände gegen ein gerichtliches Sachverständigengutachten unter Hinzuziehung eines Privatgutachters vorzubringen.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 2, § 411 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Ulm (Beschluss vom 09.03.2011; Aktenzeichen 2 O 276/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Ulm vom 9.3.2011 - 2 O 276/05 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt bis zu 4.350.000 EUR.
Gründe
Die nach § 46 Abs. 2 ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten (Bl. 1109 ff. d.A.), welcher das LG mit Beschluss vom 6.4.2011 (Bl. 1120 d.A.) nicht abgeholfen hat, hat keinen Erfolg.
I. Das zulässige Ablehnungsgesuch der Beklagten ist nicht begründet.
1. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
a) Besorgnis der Befangenheit ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Richters aufkommen lassen. Als Umstände in diesem Sinne kommen dabei nur objektive Gründe in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschl. v. 21.12.2006 - IX ZB 60/06 - Tz. 7 [juris]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 42 Rz. 9; Musielak/Heinrich, ZPO, 8. Aufl., § 42 Rz. 5). Mögliche Ablehnungsgründe sind in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. Musielak/Heinrich, a.a.O., § 42 Rz. 6).
b) Die Art und Weise der Verfahrensführung des Richters kann - als dem Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit zugeordnet - grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen. Im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist. Nur im Ausnahmefall sind Verfahrensweise bzw. Rechtsauffassung eines Richters dann Grund für die Ablehnung, wenn die richterliche Handlung ausreichender gesetzlicher Grundlage völlig entbehrt und so grob rechtswidrig ist, dass sie als Willkür erscheint, oder wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung eindeutig erkennen lässt, dass sie auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber einer Partei beruht, wenn sich also aus der Art der Prozessleitung und dem prozessualen Vorgehen durch den Richter das Verfahren so weit vom üblicherweise praktizierten entfernt, dass sich die Besorgnis einer sachwidrigen Benachteiligung aufdrängt bzw. dass an die Stelle richtiger Rechtsanwendung Willkür tritt. Dazu gehören in der Regel Verstöße gegen die Verfahrensgrundsätze, vor allem den des rechtlichen Gehörs (vgl. etwa KG NJW 2004, 2104 [2105]; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rz. 24; Musielak/Heinrich, a.a.O., § 42 Rz. 11 m.w.N.). Insbesondere Verfahrensfehler rechtfertigen demnach den Schluss auf eine Voreingenommenheit des Richters nur in besonderen Fällen, etwa dann, wenn sie völlig unverständlich sind und deshalb den Verdacht nahelegen, dass sie bewusst und aufgrund sachfremder Erwägungen unter Inkaufnahme der Benachteiligung einer der Parteien erfolgt sind (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Beschl. v. 5.9.2007 - 14 W 46/07 - Tz. 10 [juris]; Musielak/Heinrich, a.a.O., § 42 Rz. 11).
c) Im Besonderen begründet die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit. Anders ist es nur dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit deren Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (vgl. etwa, jeweils m.w.N., BGH NJW 2006, 2492 [2494]; OLG Frankfurt, NJW 2009, 1007 [1008]; OLG Brandenburg NJW-RR 1999, 1291 [1292]; Musielak/Stadler, a.a.O., § 227 Rz. 4; Musielak/Heinrich, a.a.O., § 42 Rz. 11).
2. Zutreffend hat das LG hier angenommen, die von der Beklagten vorgebrachten Ablehnungsgründe begründeten weder für sich allein noch in ihrer Gesamtheit Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Einzelrichters.
a) Die Entscheidung über den Terminsverlegungsantrag ist jedenfalls nicht in einer Art und Weise ergangen, die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Einzelrichters begründete.
aa) Soweit die Beschwerde vorbringt, die Durchführung des Termins am 21.2.2011 hätte ihr die Möglichkeit genommen, zusammen mit dem von ihr beauftragten Privatgutachter den Termin wahrzunehmen, was sie in ihren Verteidi...