Leitsatz (amtlich)
Nach Wegfall der Postulationsbeschränkungen sind die Mehrkosten eines deutschen Verkehrsanwalts einer ausländischen Partei nur noch insoweit erstattungsfähig, als sie die Anwaltsreisekosten zum Gericht nicht übersteigen (Abweichung von der ständigen Senatsrechtsprechung).
Normenkette
BRAGO § 52; ZPO § 91 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 8 O 530/01) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die als Erinnerung bezeichnete sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim LG Stuttgart vom 8.4.2002 dahin abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner – anstelle des festgesetzten Betrags von 3.538,14 Euro – an den Kläger nur 2.924,60 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 27.2.2002 zu erstatten haben; der Erstattungsbetrag enthält keine Mehrwertsteuer.
2. Die weiter gehende Beschwerde der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagten zu tragen, soweit ihr Rechtsmittel erfolglos war.
Von den außergerichtlichen Kosten dieses Beschwerdeverfahrens tragen der Kläger 1/2 und die Beklagten als Gesamtschuldner 1/4.
Beschwerdewert: 800,17 Euro
zurückgewiesener Teil: 186,64 Euro
Gründe
1. Die beklagten Rechtsanwälte sind dem in Israel ansässigen Kläger nach dem Urteil des LG vom 22.2.2002 in vollem Umfang als Gesamtschuldner kostenerstattungspflichtig. Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8.4.2002 hat die Rechtspflegerin unter Bezugnahme auf die bisherige Senatsrechtsprechung neben den Kosten eines Hauptbevollmächtigten die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts an einem beliebigen Ort Deutschlands als erstattungsfähig festgesetzt (Bl. 28 f. d.A.).
Dagegen wenden sich die Beklagten mit der „Erinnerung” vom 13./19.4.2002, mit der sie geltend machen, die Mehrkosten eines zweiten Rechtsanwalts seien – jedenfalls nach Änderung des § 78 ZPO – nicht erstattungsfähig, woran auch die Tatsache nichts ändern könne, dass der Kläger seinen Wohnsitz im Ausland habe. Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen.
2. Die zulässige Kostenbeschwerde der Beklagten hat teilweise Erfolg.
a) Nach bisheriger gefestigter Senatsrechtsprechung war es regelmäßig als „notwendig” im Sinne einer zweckmäßigen Rechtsverfolgung oder -verteidigung gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO anzusehen, wenn eine ausländische Partei, die vor einem deutschen Gericht einen Rechtsstreit führt, einen Korrespondenzanwalt einschaltet; dabei hatte die ausländische Partei in der Regel die Wahl, ob sie einen Anwalt an ihrem ausländischen Wohnsitz oder einen Anwalt an einem beliebigen Ort in Deutschland zum Korrespondenzanwalt bestellen will (OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.4.1981, JurBüro 1981, 870 = Die Justiz 1981, 316 (LS); Beschl. v. 2.12.1983, Die Justiz 1984, 99 = JurBüro 1984, 593). Diese Rspr. steht – ungeachtet gewisser Einschränkungstendenzen im Einzelfall auf Grund zunehmender Internationalisierung (vgl. z.B. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.4.2001 – 3A W 17/01, OLGReport Karlsruhe 2001, 445) – im Einklang mit der wohl überwiegenden Ansicht der OLG (aus jüngerer Zeit zB OLG Hamburg v. 2.3.2000 – 8 W 61/00, MDR 2000, 664; OLG Dresden JurBüro 1998, 144; OLG Jena JurBüro 1998, 596; vgl. Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 91 Rz 13 „Ausländer). Sie beruht auf der damaligen Rechtslage, nach der der zunächst beauftragte deutsche Rechtsanwalt „am dritten Ort” am Gericht des Prozessorts nicht zugelassen war, weshalb ein Fall des notwendigen Anwaltswechsels anzunehmen war.
b) Mit Wegfall der Postulationsbeschränkungen auswärtiger Anwälte zum 1.1.2000 stellt sich das Problem der Erstattungsfähigkeit der Kosten mehrerer Anwälte auch bei ausländischen Prozessparteien in neuem Licht. Der Grundsatz des § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO, wonach die Mehrkosten eines zweiten Anwalts nur bei Notwendigkeit eines Anwaltswechsels zu erstatten sind, hat – ähnlich wie beim Mahnanwalt (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.5.2001, Die Justiz 2001, 445 = Rpfleger 2001, 516) – die Konsequenz, dass grundsätzlich der von der ausländischen Partei zunächst beauftragte deutsche Rechtsanwalt den Rechtsstreit an jedem Gericht in Deutschland selbst führen kann, so dass ein Anwaltswechsel nicht mehr notwendig ist.
Dem gemäß sind die vom Kläger angemeldeten Kosten für einen zweiten Rechtsanwalt in Stuttgart nur insoweit erstattungsfähig, als sie angefallen wären, wenn der Klägervertreter aus Köln nach Stuttgart zur Terminswahrnehmung angereist wäre. Darüber hinausgehende Kosten für einen zweiten deutschen Rechtsanwalt sind nach der neuen Rechtslage nicht mehr erstattungsfähig. Die Festsetzung der Rechtspflegerin konnte somit keinen Bestand haben. Die Erstattung von eventuellen Mehrkosten eines Anwalts in Israel ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
c) Die weiter gehende Ansicht der Beklagten, der Kläger wäre von vornherein kostenrechtlich verpflichtet gewesen, einen Anwalt in Stuttgart zu beauftragen, damit nicht auch die Reisekosten eines auswärtigen...