Leitsatz (amtlich)
Der volljährige Unterhaltsberechtigte kann den Anspruch auf Auskehr des Kindergeldes gegen einen Elternteil, gegen den ein Titel über Barunterhalt besteht, ohne ein Abänderungsverfahren eigenständig geltend machen. Der Anspruch auf Auskehr des Kindergeldes ergibt sich aus § 1601 BGB (analog).
Normenkette
BGB §§ 1601, 1612b Abs. 1
Verfahrensgang
AG Stuttgart-Bad Cannstatt (Beschluss vom 14.07.2016; Aktenzeichen 2 F 587/16) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Stuttgart-Bad Cannstatt vom 14.7.2016, Az. 2 F 587/16, dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, an die Antragstellerin 2.076,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.886,00 EUR seit 1.4.2016 und aus weiteren 190 EUR seit dem 1.5.2016 zu bezahlen.
2. Im Übrigen werden der Antrag der Antragstellerin und die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen trägt die Antragstellerin 8,4 %, der Antragsgegner 91,6 %.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.264 EUR festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die volljährige Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner, ihrem Vater, die Auszahlung von Kindergeld.
Die Antragstellerin studiert zwischenzeitlich im 9. Semester an der Fachhochschule in Aalen. Die Beteiligten haben am 12.11.2013 vor dem AG Aalen, Az. 6 F 357/13, einen Vergleich dahingehend geschlossen, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin monatlichen Unterhalt i.H.v. 700 EUR bezahlt. Zu diesem Zeitpunkt bezog die Mutter der Antragstellerin, die mit dem Antragsgegner nicht zusammenlebt, das Kindergeld für die Antragstellerin. Zum 1.5.2015 wurden die Kindergeldzahlungen an die Mutter der Antragstellerin eingestellt, da die Antragstellerin bei dieser nicht mehr wohnte. Auf Hinweis der Antragstellerin beantragte der Antragsgegner in der Folge die Auszahlung des Kindergeldes an sich, was rückwirkend ab dem 1.5.2015 erfolgreich war. Mit Schreiben vom 16.6.2015 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner auf, das bezogene Kindergeld an sie auszuzahlen.
Die Antragstellerin hat vor dem AG einen Betrag i.H.v. 2.264 EUR als vom Antragsgegner für den Zeitraum Mai 2015 bis April 2016 bezogenes Kindergeld geltend gemacht.
Der Antragsgegner rügte die örtliche Zuständigkeit des AG, da er in der Schweiz wohne. Der Unterhalt von 700 EUR, den er monatlich bezahle, sei bedarfsdeckend. Die Antragstellerin habe zwischenzeitlich die Regelstudienzeit überschritten. Außerdem zweifele er an einem ordnungsgemäßen Studium in Aalen, da die Antragstellerin zwischenzeitlich in Stuttgart wohne. Die Mutter der Antragstellerin sei bereits bei Abschluss des Vergleiches im Jahr 2013 nicht kindergeldberechtigt gewesen. Bei dem vereinbarten Unterhaltsbetrag sei Kindergeld auf den Bedarf der Antragstellerin nicht angerechnet worden.
Das AG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 14.7.2016 verpflichtet, an die Antragstellerin 2.264 EUR nebst Zinsen zu bezahlen. Die internationale Zuständigkeit des AG Stuttgart-Bad Cannstatt ergebe sich aus Art. 5 des Lugano-Übereinkommens. Gemäß Art. 3 des Haager Unterhaltsprotokolls sei deutsches Recht anwendbar. Die Antragstellerin habe einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch auf Auskehr des vom Antragsgegner bezogenen Kindergeldes. Zwar ergäben sich aus dem Vergleich vom Jahr 2013 keine Berechnungsgrundlagen. Da gemäß § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB das Kindergeld zur Deckung des Barbedarfs in voller Höhe zu verwenden sei, sei davon auszugehen, dass es mit dem vereinbarten Unterhaltsanspruch i.H.v. 700 EUR bereits verrechnet sei. Eine hiervon abweichende Berechnung habe der Antragsgegner nicht nachgewiesen. Auch die Umstände des Vergleichsabschlusses würden hierfür sprechen. Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch bestünde gemäß § 1613 Abs. 1 BGB erst ab Inverzugsetzung, d.h. ab dem Schreiben vom 16.6.2015. Damit könne für Mai 2015 kein Anspruch geltend gemacht werden. Die zwischenzeitlich aufgelaufenen Beträge würden jedoch den beantragten Zahlbetrag von 2.264 EUR in jedem Fall erreichen.
Gegen den am 26.7.2016 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 26.8.2016 Beschwerde eingelegt. Innerhalb der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist bringt der Antragsgegner vor, der vom AG angenommene familienrechtliche Ausgleichsanspruch finde im Gesetz keine Grundlage. Auch § 1612b BGB sei keine Anspruchsgrundlage. Ein Anspruch könne sich nur aus § 1601 ff. BGB ergeben. Ein Abänderungsantrag sei von der Antragstellerin jedoch nicht gestellt worden. Es sei zu berücksichtigen, dass die Regelstudienzeit überschritten sei. Substantiierte Darlegungen, dass sie ihr Studium zielstrebig und mit Fleiß betreibe, seien nicht erfolgt. Der Wohnort in Stuttgart spreche dagegen. Zudem habe die Antragstellerin nicht dargelegt, ob sich aufgrund der aktuellen Einkommensverhältnisse eine anteilige Haftung der Mutter am Unterhalt ergebe.
Der Antragsgegner beantr...