Leitsatz (amtlich)
1. Auch eine von einem an dem Verfahren, dessen Streitwert in Frage steht, unmittelbar beteiligten Rechtsanwalt mit dem Ziel der Erhöhung des Streitwerts, jedoch ausdrücklich "für" die Partei und unter Verwendung der Formulierung "aus Sicht" der Partei eingelegte Streitbeschwerde ist im Hinblick darauf, dass es an einer Beschwer der Partei fehlt, regelmäßig dahin auszulegen, dass sie von deren Prozessbevollmächtigtem aus eigenem Recht gem. § 32 Abs. 2 RVG eingelegt wurde (Abgrenzung zu BGH, Beschl. v. 20.12.2011 - VIII ZB 59/11).
2. Zur Bestimmung des Streitwerts einer Klage gegen die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH.
Normenkette
RVG § 32 Abs. 2; ZPO § 3
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Beschluss vom 13.09.2011; Aktenzeichen 21 O 145/09 KfH) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Beschluss der Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des LG Heilbronn vom 13.9.2011 - 21 O 145/09 KfH - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen abgeändert.
Der Streitwert wird auf bis zu 125.000 EUR festgesetzt.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
I. Die Streitwertbeschwerde ist zulässig.
1. Die Beschwerde ist im Hinblick darauf, dass es an einer Beschwer der Beklagten fehlt, dahin auszulegen, dass sie von deren Prozessbevollmächtigtem aus eigenem Recht gem. § 32 Abs. 2 RVG eingelegt wurde (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.1.2011 - 13 W 76/10 - Tz. 10 [juris] m.w.N.).
a) Mit Beschwerdeschreiben vom 23.9.2011 (Bl. 42 f. d.A.) ist der Rechtsbehelf allerdings "für die Beklagte" eingelegt worden mit der Begründung, "aus Sicht der Beklagten" - die gleiche Formulierung findet sich im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 26.10.2011 (Bl. 47 f. d.A.) - sei der Streitwert nach oben zu korrigieren. Auf den Hinweis des Senats vom 4.6.2012 (Bl. 55 d.A.) hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 3.7.2012 (Bl. 58 d.A.) die "erhobene Beschwerde" ausdrücklich "dahingehend korrigiert, dass diese vom Unterzeichner in eigener Sache eingelegt wurde"; die Wendung, der Rechtsbehelf sei "für die Beklagte" eingelegt worden, stelle einen "Formulierungsfehler" dar.
b) Die hier von einem an dem Verfahren, dessen Streitwert in Frage steht, unmittelbar beteiligten Rechtsanwalt mit dem Ziel der Erhöhung des Streitwerts, jedoch ausdrücklich "für" die Partei und unter Verwendung der Formulierung "aus Sicht der Beklagten" eingelegte Streitbeschwerde ist schon deshalb auslegungsbedürftig, weil angesichts fehlender Beschwer der Beklagten selbst von Anfang an, also auch schon bei Einlegung des Rechtsbehelfs, zumindest Zweifel bestanden, ob nicht etwa eine zulässige Beschwerde aus eigenem Recht des Prozessbevollmächtigten der Beklagten eingelegt war (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 32 RVG Rz. 14). In diesem Sinne war und ist die hier eingelegte Beschwerde tatsächlich zu verstehen.
aa) Im Zweifel ist zugunsten eines Verfahrensbeteiligten davon auszugehen, dass er mit dem eingelegten Rechtsbehelf das bezweckt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Verfahrensbeteiligten entspricht (vgl. etwa BGH, Beschl. v. 9.2.1993 - XI ZB 2/93 - Tz. 3 [juris]; v. 22.5.1995 - II ZB 2/95 - Tz. 11 [juris]). Dementsprechend ist anerkannt, dass eine mit dem Ziel der Erhöhung des Streitwerts eingelegte Beschwerde im Zweifel aus eigenem Recht des Rechtsanwalts eingelegt ist (vgl. Hartmann, a.a.O., § 32 RVG Rz. 14 m.w.N.). Das gilt ungeachtet des Umstands, dass die Streitbeschwerde zunächst ausdrücklich "für" die Partei und unter Verwendung der Formulierung "aus Sicht der Beklagten" eingelegt worden war, auch hier (vgl. etwa LAG Niedersachsen, Beschl. v. 13.9.2001 - 16 Ta 281/01 - Tz. 20 ff. [juris]; E. Schneider, in: Schneider/Wolf, RVG, 4. Aufl., § 32 Rz. 85; Pukall, in: Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., § 32 Rz. 76), zumal angesichts der Klarstellung, die der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 3.7.2012 vorgenommen hat, und des Umstands, dass eine Rückfrage bei ihm (vgl. Hartmann, a.a.O., § 32 RVG Rz. 14; E. Schneider, a.a.O., § 32 Rz. 85; Pukall, a.a.O., § 32 Rz. 76) erst mit Hinweis des Senats vom 4.6.2012 erfolgt ist, nachdem dem Senat die Sache mit Beschluss des LG vom 24.4.2012 (Bl. 51 f. d.A.) vorgelegt worden war.
bb) Diese Sicht des Senats steht nicht in Widerspruch zu der im Beschluss des BGH v. 20.12.2011 - VIII ZB 59/11 - Tz. 6 (juris) zum Ausdruck gekommenen Auffassung. Dort nämlich bestanden keine Zweifel, dass die Rechtsbeschwerde - ihren inhaltlich zweifelsfreien Formulierungen entsprechend - namens der Partei eingelegt und begründet war. Eine Einlegung aus eigenem Recht des an dem Verfahren, dessen Streitwert in Frage stand, unmittelbar beteiligten Rechtsanwalts der Partei hingegen schied aus. Dieser war vielmehr an dem Rechtsbeschwerdeverfahren ersichtli...