Entscheidungsstichwort (Thema)
Rundung und Pausibilitätsprüfung bei der Vergütung von Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
1. Nach den Vorgaben des § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG ist der Zeitaufwand eines Sachverständigen für die Erstellung eines Gutachtens für jede einzelne Tätigkeit minutengenau zu erfassen und sodann zu addieren. Erst im letzten Schritt wird auf halbe Stunden aufgerundet.
2. Die Überprüfung des notwendigen Zeitaufwands eines Sachverständigen auf Plausibilität kann nicht in der Weise erfolgen, dass das Gutachten in die Teilaspekte "Aktenstudium", "Ausarbeitung", "Beantwortung der Beweisfragen", "Diktat und Kontrolle" untergliedert und der so ermittelte Zeitaufwand jeweils einem Richtwert, der sich u.a. an der Seitenzahl orientiert, gegenüber gestellt wird.
Normenkette
JVEG § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Sätze 1-2, § 9
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Aktenzeichen 6 O 119/14) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 06.06.2017, Az. 6 O 119/14, abgeändert:
Die Gerichtskosten werden in Höhe von 3.738,40 EUR (Gerichtsgebühr: 345,00 EUR; Sachverständigenvergütung 3.393,40 EUR) angesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beklagte wendet sich gegen Kostenansatz für den Rechtsstreit o.g. Aktenzeichens, bei dem es sich um eine Streitigkeit wegen Baumängel mit einem Streitwert von ca. 20.000 EUR handelte. Sie erstrebt eine Reduzierung, weil die Sachverständigenvergütung zu hoch angesetzt sei.
Aufgrund Beweisbeschluss vom 17.02.2015 (Bl. 131ff.) fertigte der Sachverständige Dipl.-Ing. ... nach Durchführung eines Ortstermins sein Gutachten und legte es unter dem 10.09.2015 vor (Bl. 146). Der Rechtsstreit wurde in der Folge durch einen Prozessvergleich erledigt.
Mit Kostenansatz vom 31.03.2016 setzte die Kostenbeamtin des Landgerichts die Gerichtskosten für den Rechtsstreit in Höhe von 4.250,53 EUR an. Der Ansatz enthielt Gerichtsgebühren in Höhe von 345,- EUR (die nicht im Streit stehen) und Auslagen für die Vergütung des Sachverständigen Sebastian Sage in Höhe von 3.832,28 EUR. Der Ansatz der Sachverständigenvergütung beruhte auf der Abrechnung des Sachverständigen vom 11.09.2015 (Anl. zu Bl. 150).
Der Erinnerung der Beklagten, mit der diese die Anzahl der angesetzten Stunden, den Stundensatz sowie die Vergütung für eine Hilfskraft und die Höhe der Schreibauslagen rügte, half die Kostenbeamtin nicht ab (Bl. 208).
Die Richterin hörte die Vertreterin der Staatskasse und den Sachverständigen an. Die Vertreterin der Staatskasse (Bl. 209) hielt die Beanstandung hinsichtlich der Stundenzahl für nicht prüfbar und den herangezogenen Stundensatz für zutreffend. Betreffend Vergütung für die Hilfskraft und Schreibauslagen schloss sie sich den Ausführungen der Beklagten - teilweise - an. Zudem beantragte die Staatskasse, die Sachverständigenvergütung gem. § 4 JVEG festzusetzen. Der Sachverständige (Bl. 215) hielt seine Abrechnung für korrekt. Eine minutengenaue Abrechnung sei übermäßig aufwändig und damit untunlich, zumal es sich angesichts von 24 Beweisfragen eigentlich um 24 Teilgutachten handele.
Die Beklagte wies in der Folge darauf hin, dass der geltend gemachte Zeitaufwand - angesichts fehlender Aufgliederung - nicht prüfbar sei und dass - angesichts der Stellungnahme des Sachverständigen - davon ausgegangen werden müsse, dass - entgegen § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG - nicht nur die Gesamtstundenzahl gerundet worden sei, sondern jeder einzelne Tagesstundenaufschrieb. Zudem sei der Stundensatz der Beklagten deswegen nicht nachvollziehbar, weil der Sachverständige seine Feststellungen schon beim Termin in das Diktiergerät gesprochen habe.
Mit Beschlüssen vom 06.06.2017 hat das Landgericht die Vergütung des Sachverständigen - im Verfahren gem. § 4 JVEG - auf 3.696,85 EUR festgesetzt (Bl. 237) und den Kostenansatz dementsprechend reduziert (Bl. 223). Im Übrigen hat es die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenansatz zurückgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Zeitaufwand sei wie abgerechnet anzusetzen, zumal sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Kürzung ergeben hätten; auch eine mehrfache Rundung sei nicht ersichtlich. Die Vergütung für die Hilfskraft und die Schreibauslagen seien hingegen teilweise zu hoch gewesen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrer am bei dem Landgericht eingegangen Beschwerde (Bl. 251). Sie hält die Vergütung des Sachverständigen nur in Höhe von 1.148 EUR für ansatzfähig und erstrebt eine demgemäße weitere Reduzierung des Kostenansatzes. Aus ihrer Sicht seien ca. 9 Stunden ansatzfähig, nachdem der Stundenansatz mangels Aufgliederung auf die einzelnen Arbeitsgebiete nach wie vor nicht prüfbar sei.
Das Landgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 29.09.2017 (Bl. 260) nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Im Beschwerdeverfahren haben die Vertreterin der Staatskasse (Bl. 265) und di...