Leitsatz (amtlich)
›1. Der Betreiber eines sogenannten Music-On-Demand-Dienstes, der seinen Nutzern über das Internet bereits erschienene Musiktitel und Alben in der Weise zur Verfügung stellt, dass jeder Nutzer diese Titel vom Tonträger des Betreibers jederzeit, beliebig oft, in beliebiger Zusammenstellung und von jedem beliebigen Ort aus abrufen kann, macht den Tonträger der jeweiligen Tonträgerhersteller dadurch öffentlich zugänglich im Sinne von §§ 85 Abs. 1, 19a UrhG, auch wenn die Nutzer die musikalischen Inhalte nur zum Anhören - ohne die Möglichkeit zum Herunterladen - abrufen können.
2. In Abgrenzung zur Sendung nach § 20 UrhG entscheidet beim öffentlichen Zugänglichmachen im Sinne von § 19 a UrhG nicht der Sendende, sondern der Empfänger über Zeitpunkt, Reihenfolge und Umfang des von ihm veranlassten Empfangs.‹
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 24.08.2007; Aktenzeichen 10 Qs 8/07) |
AG Stuttgart (Aktenzeichen 29 Gs 608/07) |
Gründe
I. Der Beschwerdeführer ist Inhaber der Firma X.. Unter dieser Firma betreibt er zumindest seit 31. April 2004 einen "Music-on-Demand"-Dienst im Internet unter der Domain-Adresse www.X. . Mit diesem Dienst bietet der Beschwerdeführer urheberrechtlich geschützte Musiktitel (Alben oder Einzeltitel) den Nutzern auf Abruf zum Anhören an. Aus dem auf der Website vorhandenen Musikarchiv ist über eine Suchfunktion sowie über weitere Funktionen die Auswahl einzelner Musiktitel oder ganzer Alben möglich. Der Nutzer kann sich auf diese Weise sein persönliches "Radioprogramm" nach eigenen Wünschen zusammenstellen und zu der von ihm gewünschten Zeit und von jedem mit Internetzugang versehenen Ort aus abrufen und beliebig oft anhören. Ein Herunterladen und Speichern der Musiktitel ist nicht möglich. Voraussetzungen für die Nutzung sind die Registrierung der Mitgliedsdaten und die Zahlung eines monatlichen oder jährlichen Mitgliedsbeitrages. Nach den polizeilichen Ermittlungen waren am 17. März 2005 14.500 Musikalben und 187.000 Einzeltitel zum Abruf eingestellt. 2243 dieser Alben konnten zuverlässig bestimmten Tonträgerherstellern oder deren Rechteinhabern zugeordnet werden. Im Zeitraum von Januar bis Juni 2005 erzielte der Beschwerdeführer mit seiner Firma Gesamteinnahmen in Höhe von 69.252,98 EUR. Am 31. Dezember 2005 waren 19.231 Musikalben zum Abruf eingestellt. Hiervon konnten 2.972 Alben bestimmten Tonträgerherstellern oder deren Rechteinhabern zugeordnet werden. In der Zeit von Januar 2006 bis Februar 2007 erzielte der Beschwerdeführer Gesamteinnahmen von 202.037,- EUR. Bei einer Durchsuchung am 21. Juni 2005 waren insgesamt 26.000 Benutzerdaten registriert. Eine Einwilligung der jeweiligen Tonträgerhersteller in diese Art der Verwertung durch den Beschwerdeführer lag nicht vor.
Aus diesem Grund wurde der Beschwerdeführer von der Firma S. Music Entertainment GmbH als einer der Rechteinhaberinnen der Tonträgerindustrie verklagt, es zu unterlassen, verschiedene Musikalben und die darauf enthaltenen Musikaufnahmen im Internet auf individuellen Abruf öffentlich zugänglich zu machen. Der Beschwerdeführer wurde vom Landgericht H. am 6. Oktober 2004 (308 O 365/04) und am 22. Juni 2005 (308 O 217/05) dementsprechend zur Unterlassung verurteilt. In den Urteilen wird eingehend dargelegt, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers dem öffentlichen Zugänglichmachen im Sinne von § 19 a UrhG zuzuordnen ist und dass er nicht über die erforderliche Zustimmung der Tonträgerhersteller verfügt.
Im Zuge der gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungen wegen gewerbsmäßigen unerlaubten Eingriffs in verwandte Schutzrechte ordnete das Amtsgericht S. (29 Gs 608/07) mit Beschluss vom 24. April 2007 (29 Gs 608/07) zur Sicherung der den Verletzten aus den Straftaten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche sowie zum Zwecke des staatlichen Verfalls für das Land Baden-Württemberg den dinglichen Arrest in Höhe von 40.693,59 EUR in das Vermögen des Beschwerdeführers nach §§ 111 b Abs. 2 und 5, 111 d, 111 e Abs. 1 StPO, 73 Abs. 1 Nr. 2, 73 a StGB an. Gegen diesen Beschluss legte der Angeschuldigte Beschwerde ein, die er im wesentlichen damit begründete, durch sein Vorgehen greife er nicht in Recht der Tonträgerhersteller nach §§ 85 Abs. 1, 19 a UrhG ein. Seine Tätigkeit sei der Sendung nach §§ 20, 87 UrhG zuzuordnen. Soweit damit Rechte der Urheber berührt seien, habe er sich diese von der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) einräumen lassen. Mit Beschluss vom 24. August 2007 hat das Landgericht S. die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner weiteren Beschwerde vom 6. November 2007. Zur Begründung bringt er vor, der Begriff der "öffentlichen Zugänglichmachung" sei in § 85 Abs. 1 UrhG in Abweichung zu § 19 a UrhG einschränkend auszulegen. Der Tonträger eines Tonträgerherstellers werde nur dann öffentlich zugänglich gemacht im Sinne von § 85 Abs. 1 UrhG, wenn auf Seite...