Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Wiedereinsetzungsgesuch wegen Versäumung einer Rechtsmittelbegründungsfrist reicht der Vortrag, einer bewährten Mitarbeiterin der Anwaltskanzlei sei ein Versehen unterlaufen, weshalb es zur Löschung der Beschwerdebegründungsfrist gekommen sei, zur Prüfung der Verschuldensfrage (§ 233 ZPO) nicht aus. Denn einem solchen Vortrag ist nicht zu entnehmen, ob und welche allgemeinen Anweisungen der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers in Bezug auf das Notieren und Löschen der Fristen und ihre Überwachung erteilt hat, sowie ob und in welcher Weise er selbst eine Überprüfung vornimmt.
2. Legt ein Anwalt in einer Familienstreitsache nach Einlegung der Beschwerde eine neue Akte mit einem neuen Aktenzeichen an, muss er durch eine geeignete Büroorganisation sicherstellen, dass die zunächst in einem Fristenkalender eingetragene Beschwerdebegründungsfrist in die neue Akte zu dem neuen Aktenzeichen übertragen und nicht versehentlich gelöscht wird.
Normenkette
FamFG § 117; ZPO § 85 Abs. 2, § 233
Verfahrensgang
AG Tuttlingen (Beschluss vom 10.10.2019; Aktenzeichen 3 F 581/17) |
Tenor
1. Der Antrag des Antragstellers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Beschwerdegründungsfrist wird
zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Tuttlingen vom 10.10.2019, Az. 3 F 581/17, wird als unzulässig
verworfen.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.872,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. In dem Verfahren über nachehelichen Unterhalt hat das Amtsgericht - Familiengericht - Tuttlingen mit Beschluss vom 10.10.2019 den Abänderungsantrag des Antragstellers zurückgewiesen und hat diesen auf den Widerantrag der Antragsgegnerin in Abänderung eines Vergleichs vom 25.03.2014 zur Zahlung weitergehenden Unterhalts verpflichtet.
Der Beschluss des Amtsgerichts wurde dem Antragsteller am 22.10.2019 zugestellt.
Mit am 19.11.2019 beim Amtsgericht Stuttgart eingegangenem Schriftsatz legte der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 10.10.2019 ein. Hierbei wies er darauf hin, dass eine Beschwerdebegründung mit gesonderter Post erfolge.
Mit am 08.01.2020 beim Oberlandesgericht Stuttgart eingegangenem Schriftsatz beantragt der Antragsteller:
1. Es wird Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist (vorigen Stand) gewährt.
2. Der Beschluss des Familiengerichts Tuttlingen vom 10.10.2019 (Az. 3 F 581/17) wird aufgehoben und festgestellt, dass der Antragsteller nicht mehr verpflichtet ist, an die Antragsgegnerin Nachscheidungsunterhalt gemäß Vergleich Familiengericht Tuttlingen vom 25.03.2014 (1 F 987/14) zu bezahlen mit Wirkung ab 01.05.2017.
3. Der Widerantrag wird zurückgewiesen.
Zur Begründung seines Widereinsetzungsantrags führt der Antragsteller aus, dass nach Zustellung des Beschlusses am 22.10.2019 in der Anwaltskanzlei seines Verfahrensbevollmächtigten die Fristen auf den 22.11.2019 (Beschwerde) und den 23.12.2019 (Begründung - der 22.12.2019 war ein Sonntag) in den EDV-gestützten Fristenkalender notiert worden seien. Die Beschwerde sei sodann fristgerecht am 19.11.2019 eingelegt worden. Die Beschwerdebegründungsfrist sei zeitgleich mit der Löschung der Frist zur Einlegung der Beschwerde mitgelöscht worden, weil für das Beschwerdeverfahren eine neue Akte habe angelegt werden sollen. Dies sei dann aber erst am 20.11.2019 mit dem neuen Aktenzeichen erfolgt. Die Übertragung der Begründungsfrist auf das neue Aktenzeichen sei dann versehentlich und aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen unterblieben, sodass die Frist nicht mehr in der EDV notiert gewesen sei. Andernfalls wäre die Beschwerde rechtzeitig begründet oder zumindest Fristverlängerungsantrag gestellt worden. Vorstehendes sei erst am 07.01.2020 nach der Urlaubsrückkehr (21.12.2019 - 06.01.2020) des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers aufgefallen, weil der Beschwerdeführer am 07.01.2020 per Mail nach seiner Sache gefragt habe. Der Fehler hätte somit wegen der Urlaubsabwesenheit frühestens am 07.01.2020 auffallen können. Der Antragstellervertreter hat eine Abschrift des Beschlusses des Amtsgerichts vom 22.10.2019 mit Notierungsvermerk der Fristen beigefügt. Das geschilderte Versehen stelle nach Auffassung des Antragstellers kein Verschulden im Sinne von § 233 ZPO dar, weil von Anfang an die richtigen Fristen notiert gewesen seien. Lediglich durch die Neuanlage der Akte einen Tag später für das Beschwerdeverfahren sei die nochmalige Notierung versehentlich unterblieben. Da der Unterzeichner und seine ansonsten die Fristen überwachende Mitarbeiterin K. J. am 23.12.2019 bereits im Urlaub gewesen seien, sei der Fristablauf nicht mehr aufgefallen. Es werde anwaltlich versichert, dass weder dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers noch seiner ansonsten vollkommen zuverlässigen Mitarbeiterin K. J. ein derartiges Versehen jemals unterlaufen sei. Wegen der Begründung de...