Leitsatz (amtlich)
1. Auch ein umfassendes gesellschaftsvertragliches Konkurrenzverbot für einen Minderheitsgesellschafter unterliegt einer Abwägung mit der grundgesetzlich geschützten Berufsausübungsfreiheit. Es ist jedenfalls dann unwirksam, wenn der Minderheitsgesellschafter sein Anstellungsverhältnis als leitender Mitarbeiter der Gesellschaft vor Ablauf der für das Gesellschaftsverhältnis satzungsrechtlich vorgesehenen Kündigungsfrist wirksam beendet hat und eine fortbestehende Gefahr der "Aushöhlung" der Gesellschaft nicht feststellbar ist.
2. Für einen Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der sog. "Geschäftschancenlehre" bei Planungsleistungen für öffentliche Auftraggeber bedarf es besonderer Darlegungen, um die behaupteten Folgeprojekte als der Gesellschaft zugeordnet schlüssig annehmen zu können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Beauftragung (bislang) nur auf einzelne Leistungsphasen beschränkt erfolgte und (Folge-)Aufträge in Anwendung öffentlicher Vergaberegeln zur Erhaltung des Wettbewerbs vergeben wurden.
Normenkette
BGB §§ 138, 242; GG Art. 12 Abs. 1; GmbHG § 46 Nr. 8; HGB § 60
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 17.12.2015; Aktenzeichen 11 O 131/15) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2015, Az. 11 O 131/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Dieses Urteil sowie das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2015, Az. 11 O 131/15, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert in der Berufungsinstanz: bis zu 750.000 EUR
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit einem gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverbot und der gesellschafterlichen Treuepflicht.
Die Klägerin, eine 1987 gegründete GmbH mit Sitz in B., betreibt ein Ingenieurbüro für Wasserversorgungs- und -entsorgungsanlagen, Kläranlagen, Statik, Wasser-, Straßen- und Wegebau sowie ähnliche Ingenieurleistungen und die Vornahme aller damit zusammenhängenden Nebentätigkeiten. Die Beklagten sind Ingenieure. Sie waren bei der Klägerin seit 1988 (Beklagter Ziff. 2) bzw. 2004 (Beklagter Ziff. 1) angestellt, dort zuletzt als Teamleiter tätig und besaßen Prokura. Beide halten Geschäftsanteile an der Klägerin, der Beklagte Ziff. 2 seit 2001 und der Beklagte Ziff. 1 seit 2011. Der Beklagte Ziff. 2 ist mit 26 % am Stammkapital der Klägerin beteiligt, der Beklagte Ziff. 1 mit 13 %. Die übrigen 61 % hält der Geschäftsführer der Klägerin.
Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin (Anlage K1) enthält u. a. folgende Bestimmungen:
§ 5 Gesellschafterbeschlüsse
[...]
(3) Beschlüsse der Gesellschafter kommen mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustande, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt oder vorgeschrieben ist. [...]
§ 7 Konkurrenzverbot
Kein Gesellschafter darf während seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft mittelbar oder unmittelbar, gelegentlich oder gewerbsmäßig, unter eigenem oder fremdem Namen, für eigene oder fremde Rechnung der Gesellschaft Konkurrenz machen oder sich an einem Konkurrenzunternehmen beteiligen.
Befreiungen vom Konkurrenzverbot können nur mit Zustimmung von mehr als 75 % aller vorhandenen Stimmen erteilt werden.
§ 9 Kündigung
(1) Jeder Gesellschafter kann das Gesellschaftsverhältnis unter Einhaltung einer Frist von 9 Monaten zum Schluß eines jeden Geschäftsjahres kündigen.
[...]
(3) Der Kündigende scheidet nach Ablauf der Kündigungsfrist aus der Gesellschaft aus.
(4) Besteht zwischen dem Kündigenden und der Gesellschaft ein Dienstverhältnis, bewirkt die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses eine Kündigung des Dienstverhältnisses auf den gleichen Stichtag.
§ 10 Ausschluß
(1) Wenn ein Gesellschafter seine Gesellschafterpflichten verletzt oder in seiner Person ein wichtiger Grund eintritt, der den übrigen Gesellschaftern die Fortführung der Gesellschaft nicht zumutbar erscheinen läßt, kann er durch Beschluß der Gesellschafterversammlung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.
(2) Als wichtiger Grund im Sinne des Abs. (1) gilt insbesondere [...] der Umstand, dass ein Gesellschafter [...] nicht mehr für die Gesellschaft tätig ist.
§ 13 Folgen des Ausscheidens
(1) Vom Tag des Ausscheidens an ruhen sämtliche Rechte aus dem Geschäftsanteil des ausgeschiedenen Gesellschafters.
(2) Die Gesellschafterversammlung kann in allen Fällen des Ausscheidens eines Gesellschafters entweder die Einziehung seines Geschäftsanteils oder seine Abtretung an eine von ihr zu benennende Person beschließen. [...]
(3) Der ausgeschiedene Gesellschafter wird nach den Bestimmungen des § 14 dieser Satzung abgefunden.
[...]
§ 21 Schlußbestimmungen
Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, wird ...