Leitsatz (amtlich)
Den Unsicherheiten hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang der Verurteilte Nachsorgemaßnahmen zur Stabilisierung der Suchtmittelabstinenz bedarf und welche Art der Maßnahme am zweckmäßigsten erscheint, kann nicht durch eine in jeder Hinsicht offene Weisung, die bei genauer Betrachtung nur ein Ziel, aber keine konkrete Handlungsvorgabe enthält, Rechnung getragen werden. Vielmehr muss sich das bewährungsaufsichtsführende Gericht die hierzu benötigten Erkenntnisse - notwendigerweise unter Mitarbeit des Verurteilten, zu der er im Weisungswege angehalten werden darf - verschaffen, um im Anschluss hinreichend präzise Vorgaben machen zu können, die dem Bewährungshelfer nur noch in organisatorischen Detailfragen eine Konkretisierungsberechtigung überlassen.
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Entscheidung vom 14.04.2014) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - 16. Große Strafkammer - Stuttgart vom 14. April 2014 zu Ziffer 4.
a b g e ä n d e r t
und wie folgt neugefasst:
4.
Der Verurteilte wird angewiesen, bis spätestens 29. August 2014 Kontakt zu einer der nachgenannten Suchtberatungsstellen aufzunehmen, dort mindestens drei Beratungsgespräche durchzuführen, dem bewährungsaufsichtsführenden Gericht deren Durchführung nachzuweisen und ihm darüber hinaus eine Stellungnahme der Suchtberatungsstelle zu der Frage vorzulegen, welche Nachsorgemaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Suchtmittelabstinenz des Verurteilten zweckmäßig erscheinen, wie diese - insbesondere hinsichtlich der Frequenz / Häufigkeit - ausgestaltet sein und bis zu welchem Zeitpunkt sie voraussichtlich andauern sollten:
... (es folgen sechs konkret benannte Suchtberatungsstellen)
Weitergehende Weisungen in Bezug auf Nachsorgemaßnahmen zur Erhaltung der Suchtmittelabstinenz für den Bewährungszeitraum nach dem 29. August 2014 bleiben ausdrücklich vorbehalten.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels; allerdings wird die Gerichtsgebühr um ein Drittel ermäßigt.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde am 4. November 2011 vom Landgericht Stuttgart wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren drei Monaten verurteilt. Im Urteil wurde festgestellt, dass er die Taten aufgrund einer eigenen Betäubungsmittelabhängigkeit beging. Nach teilweiser Vollstreckung der Strafe und Zurückstellung der weiteren Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG absolvierte der Verurteilte im Zeitraum vom 8. Juli bis 18. Dezember 2013 eine stationäre Drogenentwöhnungsbehandlung in der Fachklinik V., die er regulär beendete.
Mit Beschluss vom 14. April 2014 hat das Landgericht Stuttgart die Reststrafe gem. § 36 Abs. 1 Satz 3 BtMG zur Bewährung ausgesetzt, eine dreijährige Bewährungszeit festgesetzt, den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und ihn angewiesen, jeden Wohnsitzwechsel unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen. Darüber hinaus hat die Kammer unter Ziffer 4. folgende Anordnung getroffen:
"Der Verurteilte hat sich nach näherer Weisung seines Bewährungshelfers einer ambulanten Drogentherapie-Nachsorgebehandlung zu unterziehen oder sich einer geeigneten Selbsthilfegruppe anzuschließen und dort regelmäßig teilzunehmen. Nachweise hierüber sind dem Bewährungshelfer unaufgefordert vorzulegen."
Mit seiner "sofortigen Beschwerde" wendet sich der Verurteilte gegen diese Anordnung und beantragt ihre ersatzlose Aufhebung.
II.
Da der Verurteilte lediglich die Ausgestaltung der ihm gewährten Strafaussetzung angreift, ist das Rechtsmittel gemäß § 300 StPO als (einfache) Beschwerde im Sinne des § 304 Abs. 1 StPO zu qualifizieren. Diese ist gemäß §§ 36 Abs. 5 Satz 4 BtMG, 454 Abs. 4 Satz 1, 453 Abs. 2 Satz 1 StPO statthaft, in der Sache jedoch nur teilweise begründet. Die angegriffene Bewährungsanordnung konnte in ihrer bisherigen Fassung mangels hinreichender Bestimmtheit keinen Bestand haben. Sie war - entgegen dem Antrag auf ersatzlose Aufhebung - entsprechend der erkennbaren und nicht zu beanstandenden Zielrichtung der vom Landgericht formulierten Bewährungsweisung neu zu fassen.
1. Gemäß §§ 36 Abs. 5 Satz 4 BtMG, 454 Abs. 4 Satz, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO kann die angefochtene Entscheidung lediglich auf ihre Gesetzeswidrigkeit überprüft werden. Eine solche ist gegeben, wenn die gerichtliche Anordnung im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig, unzumutbar oder zu unbestimmt ist (KG Berlin, Beschluss vom 11. Juli 2000 - 1 AR 791/00 - 5 Ws 501/00, 1 AR 791/00, 5 Ws 501/00 -, [...], mwN.) bzw. wenn das eingeräumte Ermessen überschritten wurde (Meyer-Goßner, StPO, 57. Auflage, § 453 Rn. 12 mwN.). Eine Überprüfung der Zweckmäßigkeit der Entscheidung der Strafkammer findet im Beschwerdeverfahren hingegen nicht statt.
Die Anordnung, wonach sich der Verurteilte einer ambulanten Drogentherapie-Nachsorgebehandlung zu unterziehen oder einer gee...