Leitsatz (amtlich)
Selbständiges Beweisverfahren/Kostenfestsetzung: Für den Fall der ausdrücklich erklärten Antragsrücknahme und der sich hieraus ergebenden Nichterhebung verwertbarer Beweise (§ 493 ZPO) kann - abgesehen von einer vergleichsweisen Regelung - über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens in einem nachfolgenden Hauptsacheprozess keine Entscheidung getroffen werden. Diese bleibt dem selbständigen Beweisverfahren vorbehalten. (Anschluss an BGH NJW 2011, 1292 und OLGReport Celle 1995, 16)
Normenkette
ZPO § 269 Abs. 3 S. 2, §§ 493, 494a
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 09.06.2011; Aktenzeichen 20 O 468/10) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Stuttgart vom 9.6.2011 - 20 O 486/10, aufgehoben.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 278 EUR
Gründe
I. Am 21.5.2010 beantragte die Klägerin beim LG Stuttgart die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Beklagte (Az. 26 OH 7/10) wegen der Beschädigung von Mieträumen (des dortigen Fußbodenbelags). Im Hinblick auf die bevorstehende Weitervermietung und vorher durchzuführende Sanierung wurde auf das Eilbedürfnis des Antrags hingewiesen. Nachdem diesem nicht entsprochen, vielmehr mit Verfügung vom 14.6.2010 eine Fristverlängerung für die Gegenseite bis 21.6.2010 bewilligt wurde, hat die Klägerin den Antrag vor Erlass eines Beweisbeschlusses am 17.6.2010 zurückgenommen und die beantragte Beweiserhebung durch die Einholung eines Privatgutachtens selbst durchgeführt.
Die Klägerin reichte am 28.10.2010 wegen des beschädigten Fußbodenbelags eine Schadensersatzklage gegen die Beklagte beim LG Stuttgart ein (Az. 20 O 468/10). Der Rechtsstreit wurde in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2010 durch einen seit 16.1.2011 rechtswirksamen Prozessvergleich beendet, mit dem die Parteien u.a. die Aufhebung der Kosten des Rechtsstreits gegeneinander vereinbarten.
Auf den Antrag der Klägerin wurden die von ihr in dem Beweisverfahren bezahlten Gerichtskosten von 556 EUR im Kostenfestsetzungsverfahren des Hauptprozesses (Az. 20 O 468/10) aufgrund des dort geschlossenen Vergleichs durch Beschluss vom 9.6.2011 i.H.v. 278 EUR als von der Beklagten an die Klägerin zu erstattende Kosten festgesetzt.
Gegen die am 16.6.2011 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte durch ihren Prozessbevollmächtigten am 21./22.6.2011 sofortige Beschwerde eingelegt, weil ihrer Auffassung nach die Kosten des Beweisverfahrens nicht zu denjenigen des Rechtsstreits gehören. Hierauf hatte sie sich bereits im Festsetzungsverfahren berufen.
Die Klägerin hat sich zu dem ihr am 30.6.2011 übermittelten Rechtsmittel nicht geäußert und die Rechtspflegerin hat die Akten mit Beschluss vom 11.7.2011 ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG) hat in der Sache Erfolg.
Der von der Rechtspflegerin bezüglich der Gerichtskosten des selbständigen Beweisverfahrens vorgenommene Kostenausgleich findet keine Rechtfertigung in der von den Parteien im Hauptsacheverfahren vereinbarten Kostenaufhebung (§ 92 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und war deshalb aufzuheben.
Nicht zu beanstanden ist die Rechtsauffassung der Vorinstanz, dass die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Gerichtskosten grundsätzlich gerichtliche Kosten des nachfolgenden Rechtsstreits darstellen unter der Voraussetzung, dass die Parteien und der Streitgegenstand des Beweisverfahrens und des Hauptprozesses - wie hier - identisch sind (BGH NJW-RR 2006, 810; Herget in Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 91 Rz. 13 "selbständiges Beweisverfahren"; je m.w.N.).
Auch spielt es keine Rolle, inwieweit das Gutachten des Beweisverfahrens tatsächlich im anschließenden Hauptprozess verwertet wurde (BGH MDR 2004, 1372; OLG Düsseldorf Rpfleger 2007, 228; OLG Zweibrücken AGS 2008, 437; Herget, a.a.O.; je m.w.N.; a.A. OLG München, Beschl. v. 25.6.2010 - 10 U 5028/09, in Juris, unter Bezugnahme auf BGH NJW 2003, 1322, m.w.N.).
Hierauf kommt es aber bei der vorliegend zu beurteilenden Fallkonstellation nicht entscheidungserheblich an. Denn der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens wurde vor Anordnung und Einholung der beantragten Beweiserhebung zurückgenommen.
Grundsätzlich ist im selbständigen Beweisverfahren außerhalb des Anwendungsbereichs des § 494a ZPO keine Entscheidung über die Kostentragungspflicht zu treffen. Diese ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens bilden einen Teil der Kosten eines anhängigen oder zukünftigen Erkenntnisverfahrens zwischen den Parteien, neben dem oder zu dessen Vorbereitung das selbständige Beweisverfahren stattgefunden hat.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird von der Rechtsprechung zugelassen, wenn der Antragsteller den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens...