Verfahrensgang
AG Rottweil (Beschluss vom 29.09.2022; Aktenzeichen 4 F 199/17) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen Ziff. 2 der Entscheidungsformel des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Rottweil vom 29.09.2022 - 4 F 199/17 - (Beschwerdeantrag Ziff. 1) wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen Ziff. 3 der Entscheidungsformel des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Rottweil vom 29.09.2022 - 4 F 199/17 - (Beschwerdeantrag Ziff. 2) wird als unzulässig verworfen.
3. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9.500,00 Euro festgesetzt (Versorgungsausgleich: 4.500,00 Euro; Zugewinnausgleich: 5.000,00 Euro).
Gründe
I. 1. a) Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde in dem vorliegenden Scheidungsverbundverfahren gegen die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Rottweil in den Folgesachen "Versorgungsausgleich" und "Zugewinnausgleich".
Die beteiligten Ehegatten, die zum aktuellen Zeitpunkt beide die deutsche Staatsangehörigkeit inne haben, schlossen 1996 in Ägypten eine sogenannte Orfi- oder Urfi-Ehe durch formlose Erklärung der Brautleute ohne Beteiligung staatlicher oder religiöser Stellen und unter Hinweis darauf am 10.06.1998 vor einem Notar in Ägypten einen offiziellen Ehevertrag. Aus der Ehe sind zwei bereits volljährige Kinder hervorgegangen. Seit 1998 leben die Eheleute in Deutschland. Die Trennung erfolgte im April 2016. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 16.06.2017 zugestellt.
b) Beide Eheleute waren während der Ehezeit berufstätig. Beide haben Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Die Antragstellerin hat zudem ein Anrecht bei dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg erworben. Nach der vorläufigen Berechnung des Amtsgerichts zur Durchführung des Versorgungsausgleichs vom 31.08.2021 wäre der Versorgungsausgleich nach Kapitalwerten in Höhe von 16.216,45 Euro zu Lasten der Antragstellerin durchzuführen gewesen.
c) Das Amtsgericht - Familiengericht - Rottweil hat die Antragstellerin auf einen Stufenantrag in der Folgesache Zugewinnausgleich im Scheidungsverbundverfahren verpflichtet, Auskunft über ihr Vermögen an näher bezeichneten Stichtagen (Eheschließung, Trennung und Zustellung des Scheidungsantrags) zu erteilen sowie über Vermögen, das sie nach Eintritt des Güterstands von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht durch Schenkung oder als Ausstattung erworben hat. Die gegen diesen Teilbeschluss eingelegte Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 20.09.2018 als unzulässig verworfen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wurde durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23.09.2020 - XII ZB 490/18 - auf ihre Kosten verworfen.
In der Folgezeit haben die Antragstellerin mit Anwaltsschreiben vom 27.11.2020 und der Antragsgegner mit Anwaltsschreiben vom 21.12.2020 Auskunft über das jeweilige Vermögen an den obengenannten Stichtagen erteilt. Keine Seite hat jedoch einen bezifferten Antrag auf Zahlung von Zugewinnausgleich gestellt.
Die Antragstellerin hat stattdessen mit Anwaltsschriftsatz vom 30.03.2021 beantragt, im Wege eines Zwischenfeststellungsbeschlusses festzustellen, dass sich die ehegüterrechtlichen Verhältnisse der Beteiligten nach ägyptischem Recht bestimmen.
d) Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 29.09.2022 - 4 F 199/17 - folgende Entscheidung getroffen, wobei es auf den Zwischenfeststellungsantrag der Antragstellerin vom 30.03.2021 weder im Tatbestand noch in den Gründen eingegangen ist:
1. Die am 10.06.1998 in A. (Ägypten) unter Heiratsregister Nr. ... geschlossene Ehe der beteiligten Ehegatten wird geschieden.
2. Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
3. Der Antrag des Antragsgegners auf Zugewinnausgleich wird zurückgewiesen.
...
Zur Begründung des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs wegen massiver Eingriffe des Antragsgegners in die Privatsphäre der Antragstellerin und der beiden gemeinsamen Kinder über einen Zeitraum von nahezu zwei Jahren gemäß § 1587 BGB, § 27 VersAusglG grob unbillig wäre. Obwohl das Fehlverhalten des Antragsgegners ausschließlich nach der Trennung der Beteiligten erfolgt sei, wiege es in der Gesamtschau so schwer, dass es in unerträglicher Weise ungerecht und unbillig wäre, wenn der Antragsgegner nun auch noch an der Altersvorsorge der Antragstellerin partizipieren würde.
Zur Begründung seiner güterrechtlichen Entscheidung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Eheleute zur Überzeugung des Gerichts in dem offiziellen Ehevertrag vom 10.06.1998 hinsichtlich der allgemeinen Wirkungen der Ehe konkludent eine Rechtswahl im Sinne des Art. 14 Abs. 3 EGBGB a. F. zugunsten des "islamischen Rechts" getroffen hätten. Gemäß Art. 15 Abs. 1 EGBGB a. F., der gemäß Art. 229 § 47 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB auf die vor dem 29.01.2019 geschlossene E...