Leitsatz (amtlich)
Legt der Beklagte Berufung gegen die Verurteilung zur Erteilung einer Auskunft ein, bemißt sich der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens jedenfalls dann nach dem Interesse des Klägers an der Erteilung der Auskunft, wenn der Beklagte die Berufungsanträge eingereicht hat.
Verfahrensgang
LG Ellwangen (Aktenzeichen 1 KfH O 55/99) |
Tenor
Die Gegenvorstellung der Klägerin gibt keine Veranlassung, den auf 100.000,– DM festgesetzten Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens zu ändern.
Gründe
1. Die Klägerin hat im Wege der Stufenklage Provisionsansprüche geltend gemacht und im Rahmen der ersten Stufe Auskunft über die von der Beklagten getätigten Beteiligungs- und Investmentgeschäfte begehrt. Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat der Senat das erstinstanzliche Urteil abgeändert, die Klage teilweise abgewiesen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf 100.000,– DM festgesetzt. Die Klägerin regt an, den Streitwert auf 3.150,– DM zu ermäßigen und trägt hierzu vor, dass auf den Aufwand abzustellen sei, den die Beklagte für die Erteilung der geltend gemachten Auskunft für erforderlich gehalten habe.
2. Das Vorbringen der Klägerin entspricht der in der Literatur vertretenen herrschenden Meinung, wonach sich der Streitwert des Berufungsverfahrens nach der Beschwer des Rechtsmittelführers richtet. Diese bemißt sich, wenn der Beklagte Berufung eingelegt hat, nach dessen Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen, also in erster Linie nach dem für die Erteilung der Auskunft erforderlichen Aufwand an Zeit und Kosten (vgl. Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 3 VI Rn. 41 „Auskunftsanspruch”; Mü-Ko/Lappe, ZPO, § 3 Rn. 51; Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 3 Rn. 16 „Auskunft”; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., Anh. § 3 Rn. 24; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rn. 21; Zimmermann, ZPO, 5. Aufl., § 3 Rn. 11 „Auskunft”; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 552, 4280; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts in Zivilsachen, 9. Aufl., S. 138 f.). Die Literatur folgt insoweit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte (vgl. BGHZ 128, 85 – Großer Senat –; BGH FamRZ 1999, 649; OLG Celle OLGR 1994, 57; OLG Düsseldorf OLGR 1994, 70, jeweils m.w.N.), die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BVerfG NJW 1997, 2229). Die Entscheidungsgründe befassen sich zwar, soweit diese veröffentlicht wurden, regelmäßig nur mit dem Rechtsmittelstreitwert und damit der Zulässigkeit des Rechtsmittels; es ist aber davon auszugehen, dass auch der Gebührenstreitwert in entsprechender Höhe festgesetzt wurde (vgl. hierzu Schulte, Verurteilung zur Auskunftserteilung – Bemessung von Rechtsmittelbeschwer und Kostenstreitwert, MDR 2000, 805, 806; expressis verbis OLG Köln NJW-RR 1999, 833 Ls.).
3. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht.
a) Die Bemessung des Gebührenstreitwerts nach der Beschwer des Rechtsmittelführers führt zu Differenzierungen, die nicht plausibel zu begründen sind. So wurde im vorliegenden Fall der Streitwert des vom Kläger geltend gemachten Auskunftsanspruchs erstinstanzlich auf 100.000,– DM festgesetzt. Wäre die Klage vom Landgericht abgewiesen worden und hätte der Kläger Berufung eingelegt, wäre es nach herrschender Meinung bei diesem Streitwert geblieben. Weshalb dieser Streitwert nur noch 3.150,– DM betragen soll, wenn die Berufung von der Beklagtenseite eingelegt wird, vermag nicht einzuleuchten (vgl. Zöller/Gummer Vor § 511 Rn. 17c; Schulte aaO., 806). In beiden Fällen ist über die Berechtigung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs zu entscheiden, ohne dass sich Inhalt und Umfang der beiden Prüfungen per se unterscheiden.
b) Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Gebührenstreitwert mit der formellen oder materiellen Beschwer des Rechtsmittelklägers und damit dem Rechtsmittelstreitwert gleichgesetzt hat. Gemäß § 14 Absatz 1 Satz 1 GKG bestimmt sich der Streitwert in Berufungsverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelklägers und ändert sich gegenüber dem erstinstanzlichen Streitwert nicht, wenn der Streitgegenstand gleich bleibt (vgl. Markl/Meyer, GKG, 3. Aufl., § 14 Rn. 2; Hartmann, KostG, 29. Aufl., § 14 GKG Rn. 3). Hiervon ist im vorliegenden Fall trotz des Wechsels der „Angreiferrolle” auszugehen, weil der Senat über denselben Anspruch und denselben Lebenssachverhalt wie das Landgericht zu entscheiden hatte. Nur dann, wenn keine Berufungsanträge eingereicht werden, ist gemäß § 14 Absatz 1 Satz 2 GKG die Beschwer des Berufungsklägers maßgebend. Eine allgemeine Bemessungsregel für den Gebührenstreitwert läßt sich hieraus ebensowenig ableiten wie aus § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG oder aus § 24 GKG (vgl. BGH NJW-RR 1994, 1145, 1149 – Vorlagebeschluß –; Schulte aaO., 807).
c) Der Senat ist deshalb der Auffassung, dass sich der Gebührenstreitwert der Berufung nicht nach der Beschwer der Beklagten, son...