Leitsatz (amtlich)
1. Ein Autragnehmer ist auch dann von der Mängelhaftung befreit, wenn er ordnungsgemäß gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B Bedenken mitteilt, aber der Auftraggeber untätig bleibt und darauf nicht reagiert.
2. Betrifft der ordnungsgemäße Bedenkenhinweis des ausführenden Bauunternehmers einen Planungsmangel, besteht kein Gesamtschuldverhältnis zwischen dem Planer und dem ausführenden Bauunternehmer. Es liegt auch kein Fall der gestörten Gesamtschuld vor.
Normenkette
BGB § 426 Abs. 1-2; VOB/B 2009 § 4 Abs. 3, § 13 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Urteil vom 11.05.2016; Aktenzeichen 18 O 18/16) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Stuttgart vom 11.05.2016, Aktenzeichen 18 O 18/16, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des LG Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.301,44 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, die von der Stadt G. mit der Erbringung von Bodenbelagsarbeiten bei der Sanierung eines Schulgebäudes beauftragt worden war, nimmt das beklagte Architektenbüro, das von der Stadt mit der Planung und Bauüberwachung beauftragt worden war, im Wege des Gesamtschuldnerregresses auf Zahlung von 10.301,44 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass sie am 29.7.2011 gegenüber der Bauherrin Bedenken wegen der alten Spachtelmassenschichten angemeldet habe. Hätte die Beklagte ordnungsgemäß geplant, hätte sie von Anfang an den Rückbau der alten Spachtelmassenschichten ausschreiben müssen. Dies sei nicht geschehen und stelle einen Planungsfehler dar. Es sei deshalb zu den Mangelerscheinungen gekommen, die im selbständigen Beweisverfahren vor dem LG H. (Az. 8 OH 14/13), das die Stadt G. gegen die hiesige Klägerin eingeleitet habe, festgestellt worden seien. Die Beulen- und Blasenbildungen hätten beseitigt werden müssen, damit keine Stolperfallen entstehen und die Bodenbelagsablösungen nicht weiter voranschreiten. Sie könne daher gemäß §§ 421, 426 BGB bei der Beklagten wegen der für die Führung des Beweisverfahrens entstandenen Kosten und der zur Mangelbeseitigung getätigten Aufwendungen Rückgriff nehmen. Die Aufwendungen zur Beseitigung der Mangelerscheinungen beliefen sich auf 8.795,88 EUR. An Gerichtskosten für das selbständige Beweisverfahren habe sie 5.142,95 EUR bezahlt. Daneben seien Anwaltskosten von 777,50 EUR angefallen. Von den Kosten werde wegen des Planungsfehlers der Beklagten 70 % geltend gemacht. Dies ergebe den eingeklagten Betrag.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe weder ein Anspruch auf anteiligen Gesamtschuldnerausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB noch ein Anspruch gemäß § 426 Abs. 2 BGB zu. Der planende Architekt sei Erfüllungsgehilfe des Bauherrn. Dieser müsse sich daher ein etwaiges planerisches Fehlverhalten anrechnen lassen. Der Bauherr könne den Bauunternehmer allenfalls mit dem Teil des Schadens zur Verantwortung ziehen, der auch von ihm im Innenverhältnis zum Architekten zu tragen sei, so dass der Bauunternehmer später vom Architekten auch keinen Ausgleich verlangen könne. Unterstelle man ein Planungsverschulden der Beklagten von 70 %, hätte die Klägerin gegenüber der Bauherrin allenfalls auf 30 % gehaftet. Auf die Zurechnung eines Mitverschuldens der Beklagten habe die Klägerin im selbständigen Beweisverfahren selbst hingewiesen. Im Übrigen sei ein Planungsfehler der Beklagten nicht ersichtlich. Der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren habe einen systembedingten Fehler gerade verneint. Die von einer Drittfirma vorgenommenen Untersuchungen der Untergrundbeschaffenheit hätten ergeben, dass die Haftzugswerte in Ordnung seien. Ein verbleibendes Restrisiko sei von der Beklagten erkannt und in Kauf genommen worden. Ausgehend von dem Beklagtenvortrag, wonach sich die Bauherrin nach Erörterung des verbleibenden Restrisikos bewusst für die ausgeschriebene Variante entschieden habe, liege in der Realisierung dieses Restrisikos schon kein Mangel der klägerischen Werkleistung.
Die Klägerin erstrebt mit ihrer Berufung die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LG, hilfsweise die Abänderung des Urteils dahingehend, dass die Beklagte gemäß dem erstinstanzlichen Klageantrag verurteilt wird.
Die Stadt sei nicht über die risikobehaftete Planung der Beklagten aufgeklärt worden. Hätte die Beklagte die Stadt ordnungsgemäß aufgeklärt, nachdem sie - die Klägerin - die Bedenken schriftlich geäußert hatte, hätte die Stadt die von ihr zusätzlich angeregten Arbeiten in Auftrag gegeben. Das LG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Bauunternehmer vom Bauherrn allenfalls mit dem Teil des Schadens zur Verantwortung gezogen werden könne, der auch von ihm im Innenverhältnis zum Architekten zu tragen sei. Führe ein Bauunternehmer eine fehlerhafte Planung aus und habe er seine Bedenken mitgeteilt, hafte er für seine Mitverantwortung mit ein...