Verfahrensgang
AG Heilbronn (Aktenzeichen 8 C 206/93)) |
LG Heilbronn (Aktenzeichen 1 a S 354/93) |
Tenor
Das Gesetz über eine Sozialklausel in Gebieten mit gefährdeter Wohnungsversorgung – Art. 14 des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland vom 22.04.1993, BGBl. I S. 466, 487 – ist nicht anwendbar auf Fälle, in denen das Wohnungseigentum vor dem 01.05.1993 veräußert worden ist.
Gründe
Das Landgericht hat folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Hat Artikel 14 Nr. 1 des Gesetzes zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland (BGBl. I, S. 466) Rückwirkung in dem Sinne, daß die Vorschrift auch auf Wohnungseigentum anwendbar ist, das in der Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes (01. Mai 1993) veräußert worden ist?
Zugrunde liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt: Die fragliche Wohnung ist seit 1957 an die Beklagten vermietet. Im Jahre 1985 erfolgte die Umwandlung in Wohnungseigentum, 1986 die erste Veräußerung. Der Kläger hat die Eigentumswohnung durch Vertrag vom 22.6.1990 gekauft und ist seit 3.7.1990 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Er hat das Mietverhältnis mit Schreiben vom 25.10.1991 zum 31.10.1992 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 24.6.1993 die Klage abgewiesen und ausgesprochen, daß das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt werde. Im Berufungsverfahren machen die Beklagten neben ihren bisherigen Einwendungen geltend, daß aufgrund des Sozialklauselgesetzes 1993 i.V. mit der VO der Landesregierung Baden-Württemberg vom 25.10.1993 (GBl. S. 630) für die Eigenbedarfskündigung eine 10-jährige Sperrfrist bestehe. Das Landgericht ist nach Beweisaufnahme zum Ergebnis gekommen, daß eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 556a BGB nicht in Betracht komme und die Entscheidung deshalb davon abhänge, ob das Sozialklauselgesetz auch auf Veräußerungen vor seinem Inkrafttreten anwendbar sei; eine derartige Rückwirkung sei zu bejahen.
Die Vorlage ist zulässig, § 541 ZPO. Die Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung und ist, soweit ersichtlich, durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden.
Der Senat ist der Auffassung, daß das Sozialklauselgesetz nicht auf Fälle angewendet werden kann, in welchen die Veräußerung des Wohnungseigentums vor dessen Inkrafttreten am 1.5.1993 erfolgt ist.
Dem Wortlaut des Gesetzes läßt sich eine solche Einschränkung allerdings nicht entnehmen. Außerdem fehlt eine Übergangsregelung. Im Unterschied dazu wurde im Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Mieters bei Begründung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen vom 20.7.1990 (BGBl. I S. 1456), mit welchem in Ergänzung des 5 564 b Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB die Kündigungssperrfristen unter den auch jetzt wieder maßgebenden Voraussetzungen von 3 auf 5 Jahre verlängert worden sind, in Art. 2 ausdrücklich bestimmt, daß die Neuregelung nicht anzuwenden ist, wenn der auf die Veräußerung des Wohnungseigentums gerichtete Vertrag vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen worden ist.
Das vermag jedoch den Umkehrschluß nicht zu rechtfertigen, daß nunmehr in die gesetzliche Regelung auch alle in den zurückliegenden 10 Jahren erfolgten Veräußerungen einbezogen werden sollten. Vielmehr wäre bei einem entsprechenden Willen eine ausdrückliche Regelung zu erwarten gewesen. Denn es wäre höchst ungewöhnlich, daß der Gesetzgeber stillschweigend die noch laufenden Fünfjahresfristen des § 564b Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB verdoppelt, während er im Jahre 1990 eine Verlängerung der bereits laufenden Dreijahresfristen auf 5 Jahre nicht für sachgerecht gehalten hat, und daß er darüber hinaus in den Fällen, in denen es 1990 bei der Dreijahresfrist geblieben ist, die bis zum 1.5.1993 für die allermeisten Erwerber abgelaufen war, die Kündigungsmöglichkeit nachträglich für 10 Jahre ausschließt. Die verfassungsrechtliche Problematik rückwirkender belastender Gesetze hätte insoweit eine sorgfältige Gewichtung der gegenläufigen Interessen von Mietern und Erwerbern erfordert.
Dafür, daß der erst vom Vermittlungsausschuß erarbeiteten Gesetzesfassung eine solche Abwägung zugrunde gelegen hätte, findet sich kein hinreichender Anhaltspunkt. Vielmehr hat in der 150. Bundestagssitzung vom 26.3.1993, in welcher diese Gesetzesfassung angenommen wurde, der Abgeordnete Dr. Freiherr von Stetten erklärt: „Diese Sozialklausel, die nun auf 10 Jahre die Kündigung verbietet, kann natürlich nur für zukünftige Umwandlungen gelten und nicht rückwirkend, weil jede Rückwirkung ein unzulässiger Eingriff in Eigentumsrechte ist. Unter der Voraussetzung, daß das so interpretiert wird, stimme ich dem Einigungsvorschlag zu” (Protokoll 12. Wahlperiode S. 12865 C ff., abgedruckt bei Schilling, Neues Mietrecht 1993, S. 103).
Danach ist die Annahme gerechtfertigt, daß sich der Zweck des Gesetzes darauf beschränkt, den Kaufanreiz für künftige Erwerber vermieteter Eigentumswohnungen zu vermindern. Der Senat teilt deshalb bei der Auslegung...