Leitsatz (amtlich)

Wird eine zur Fristwahrung eingelegte Berufung nicht begründet, sind die durch den nach Ablauf der Berufun^gsbegründungsfrist gestellten Antrag auf Verwerfung der Berufung entstehenden Anwaltsgebühren notwendige Kosten der Rechtsverteidigung.

Wird eine zur Fristwahrung eingelegte Berufung nicht begründet, sind die durch den nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gestellten Antrag auf Verwerfung der Berufung entstehenden Anwaltsgebühren notwendige Kosten der Rechtsverteidigung.

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 26.08.2004; Aktenzeichen 19 O 79/04)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Stuttgart vom 28.12.2004 dahin abgeändert, dass die von der Beklagten an die Klägerin aufgrund des Beschlusses des OLG Stuttgart vom 15.11.2004 zu erstattenden Kosten auf 738,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 7.12.2004 festgesetzt werden.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 224,50 EUR.

 

Gründe

I. Gegen das Urteil der 19. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 26.8.2004, AZ: 19 O 79/04, legte die Beklagte am 13.9.2004 Berufung ein und wies darauf hin, dass die Berufung zunächst fristwahrend erfolge, weshalb die Gegenseite gebeten werde, vorläufig von einer Bestellung bis zur Einreichung einer Berufungsbegründung abzusehen. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist wies das OLG Stuttgart mit Verfügung vom 9.11.2004 allein die Beklagte darauf hin, dass die Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet worden sei und der Senat daher beabsichtige, die Berufung kostenpflichtig als unzulässig zu verwerfen. Am 10.11.2004 beantragte die Klägerin, die Berufung wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu verwerfen, vorsorglich, die Berufung zurückzuweisen. Am 15.11.2004 nahm die Beklagte ihre Berufung zurück. Aufgrund des Beschlusses des OLG Stuttgart vom 15.11.2004 hat die Beklagte die durch ihre Berufung entstandenen Kosten zu tragen.

Mit Schriftsatz vom 6.12.2004 beantragte die Klägerin, für das Berufungsverfahren eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV/RVG aus dem Gegenstandswert von 8.863,14 EUR sowie eine Pauschale nach Nr. 7002 VV/RVG festzusetzen. Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.12.2004 wurde von der Rechtspflegerin des LG neben der Pauschale nach Nr. 7002 VV/RVG lediglich eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 Ziff. 1 VV/RVG festgesetzt, weil vor Eingang einer Berufungsbegründung ein Antrag auf Zurückweisung der Berufung nicht notwendig gewesen sei.

Gegen diesen am 19.1.2005 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 26.1.2005 ein als Erinnerung bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, mit dem sie die Festsetzung der beantragten zu 1,6-Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren weiter verfolgt.

Nachdem die Beklagte Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hatte, hat die Rechtspflegerin des LG Stuttgart mit Beschl. v. 18.2.2005 erklärt, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

II. Nachdem der Wert der Beschwerde 200 EUR übersteigt (vgl. § 567 Abs. 2 ZPO), handelt es sich bei dem Rechtsmittel der Klägerin um eine sofortige Beschwerde nach § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, gegen deren Zulässigkeit hier keine Bedenken bestehen.

Die sofortige Beschwerde ist in der Sache begründet.

a) Der Schriftsatz der Klägerin vom 10.11.2004, mit dem die Verwerfung der Berufung beantragt wurde, ließ eine 1,6-Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren anfallen (OLG Stuttgart Die Justiz 2004, 398, unter 2a; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG, 16. Aufl., VV 3201 Rz. 9, m.w.N.).

b) Dieser die volle Verfahrensgebühr auslösende Sachantrag war zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO erforderlich und ist deshalb von der Beklagten zu erstatten.

Richtig ist allerdings, dass bei einer nur zur Fristwahrung eingelegten Berufung ein die volle Prozessgebühr auslösender Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels im erstattungsrechtlichen Sinne nicht notwendig ist, so lange ein Berufungsantrag nicht gestellt und eine Begründung nicht eingereicht worden ist, weil vorher der Berufungsbeklagten durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie dessen Begründung das Verfahren nicht fördern kann (BGH v. 3.6.2003 - VIII ZB 19/03, BGHReport 2003, 1115 = MDR 2003, 1140 = NJW 2003, 2992 [2993]; v. 9.10.2003 - VII ZB 17/03, BGHReport 2004, 69 = MDR 2004, 115 = NJW 2004, 73). Nach dem ungenutzten Ablauf der Berufungsbegründungsfrist konnte die Klägerin als Berufungsbeklagte jedoch durch ihren Antrag und dessen Begründung die Verwerfung der Berufung und damit das Berufungsverfahren fördern. Wäre die Auffassung der Rechtspflegerin des LG richtig, so dürfte ein Berufungsbeklagter bei Ausbleiben einer Berufungsbegründung im Verfahren nicht tätig werden (BGH v. 9.10.2003 - VII ZB 17/03, BGHReport 2004, 69 = MDR 2004, 115 = NJW 2004, 73).

Nachdem die Beklagte ihre Be...

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