Leitsatz (amtlich)
1. Die zu den sogenannten Abitur-Lehre-Studium entwickelte Rechtsprechung zum Anspruch auf Ausbildungsunterhalt ist nicht entsprechend auf den Fall der Aufnahme eines Studiums nach Mittlerer Reife und anschließender Berufsausbildung anzuwenden.
2. Dies gilt auch dann, wenn aufgrund einer Entscheidung der Kultusministerkonferenz die Erlangung der Fachhochschulreife oder eine praktische Berufserfahrung für das aufgenommene Studium nicht erforderlich ist.
Normenkette
BGB § 1610 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Bad Mergentheim (Beschluss vom 29.06.2018; Aktenzeichen 1 F 196/17) |
Tenor
1. Die Beschwerde des ... gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Mergentheim vom 29.06.2018 - 1 F 196/17 - wird zurückgewiesen.
2. ... trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 16.674,76 EUR
Gründe
I. Die Beteiligten ... und ... sind die Eltern ihres am ... geborenen Kindes ... . Der Antragsteller gewährte dem Kind ... im Zeitraum Dezember 2014 bis September 2017 Vorausleistungen von Ausbildungsförderung in Höhe von insgesamt 16.674,76 EUR und nimmt die Antragsgegner in diesem Umfang in Regress. Die Vorausleistungen überschreiten unstreitig im gesamten Bewilligungszeitraum den jeweiligen monatlichen Elementarbedarf des Kindes nicht. Die Antragsgegner haben sich hinsichtlich der Höhe der Vorausleistungen für leistungsfähig erklärt und für den Fall der Annahme einer Unterhaltsverpflichtung eine jeweils hälftige Anteilshaftung unstreitig gestellt.
... schloss im Sommer 2010 die Schulausbildung mit der Mittleren Reife ab, nachdem sie die letzten 4 Jahre Nachhilfeunterricht in Anspruch nehmen musste. Die Anregung der Antragsgegner, zur Erlangung einer vom Kind als attraktiv angesehenen Ausbildungsstelle im Tourismusbereich die Fachoberschule zur Erlangung des Fachabiturs anzuschließen, lehnte sie ab. Als ihr bereits eine Ausbildungsstelle als Fachangestellte für Medien zugesagt war, entschloss sie sich ohne Absprache mit den Antragsgegnern zu einer 4-jährigen Ausbildung zur Erzieherin an der ... Schule in ... . Die Antragsgegner akzeptierten die Entscheidung der Tochter und bezahlten die Schulkosten in Höhe von insgesamt 8.500,00 EUR, den Nachhilfeunterricht im Studienkreis und den Lebensunterhalt während der Ausbildung, für die lediglich im letzten Jahr (praktisches Anerkennungsjahr) ein geringes Ausbildungsentgelt bezahlt wurde.
Zum Ende der Ausbildung im Sommer 2014 erhielt ... auf ihre Anfrage hin eine Zusage für eine Arbeitsstelle als Erzieherin in dem Kindergarten, in welchem sie während des Studiums das Praktikum absolviert hatte. Diese Zusage wurde jedoch kurz vor Beginn des Arbeitsverhältnisses zurückgezogen, da ein besonders betreuungsbedürftiges Kind entgegen der getätigten Anmeldung nicht in den Kindergarten kam und die vorgesehene Erzieherstelle nicht besetzt werden konnte. Trotz Meldung beim Arbeitsamt und mehrerer Bewerbungen auf Arbeitsstellen als Erzieherin erhielt ... keine Zusage.
Zufällig erlangte sie im September 2014 über einen Bekannten Kenntnis davon, dass die Kultusministerkonferenz am 31.03.2014 in Abänderung der bis dahin geltenden Zulassungsvoraussetzungen beschlossen hatte, dass Absolventen der 4-jährigen Erzieherausbildung mit einem Schulabschluss Mittlere Reife bei Bestehen einer Aufnahmeprüfung ein Studium der Sozialen Arbeit ohne Fachabitur und ohne Berufspraxis aufnehmen können. Sie absolvierte daraufhin ohne vorherige Benachrichtigung der Antragsgegner erfolgreich die Aufnahmeprüfung und unterschrieb einen Studienvertrag für ein 6-semestriges Bachelor-Studium (monatliche Studiengebühren 590,00 EUR) und ein anschließendes 4-semestriges Master-Studium (monatliche Studiengebühren 527,00 EUR) in ... . Nach Vertragsunterzeichnung informierte sie die Antragsgegner, die ihr die Studiengebühren für das erste Semester darlehensweise bezahlten, im Übrigen jedoch jegliche Unterhaltszahlungen verweigerten.
Im September 2017 schloss sie das Bachelor-Studium erfolgreich ab, derzeit befindet sie sich im 3. Semester des Master-Studiums.
Die ... geborene Antragsgegnerin ... ist zu 70 % schwerbehindert, jedoch vollschichtig erwerbstätig. Der ... geborene Antragsgegner ... ist derzeit nach einer Herzoperation im Krankenstand. Beide Antragsgegner wohnen zusammen in einem in ihrem Eigentum stehenden Haus.
Der Antragsteller ist der Auffassung, die Antragsgegner seien unterhaltsrechtlich dem Kind ... zur Bezahlung des Studiums der Sozialen Arbeit verpflichtet und nehmen sie aus übergegangenem Recht auf Erstattung der erbrachten Leistungen in Anspruch.
Der Antragsteller hat in erster Instanz beantragt, die Antragsgegner zur Bezahlung von jeweils 7.353,75 EUR nebst gesetzlicher Zinsen für den Zeitraum von Dezember 2014 bis September 2017 zu verpflichten.
Die Antragsgegner haben Antragsabweisung beantragt.
Das Familiengericht hat den Antrag nach Anhörung der Beteiligten und Vernehmung der Tochter ... als Zeugin kostenpflicht...