Verfahrensgang
AG Oberndorf am Neckar (Beschluss vom 19.07.2021; Aktenzeichen 8 VI 412/20) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberndorf am Neckar vom 19.07.2021, Az. 8 VI 412/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligte Ziff. 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 120.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Der am ...2019 verstorbene Erblasser war türkischer Staatsangehöriger. Er war in zweiter Ehe mit der Beteiligten Ziff. 2 verheiratet, die ebenfalls türkische Staatsangehörige ist. Aus dieser Ehe sind die Beteiligten Ziff. 1, 4 und 5 als Abkömmlinge hervorgegangen. Die Beteiligte Ziff. 3 ist die Tochter des Erblassers aus erster Ehe.
Der Erblasser hat keine letztwillige Verfügung hinterlassen. Er war in ... Schramberg wohnhaft. Der Nachlass befindet sich teils in der Bundesrepublik Deutschland und teils in der Republik Türkei.
Mit Schriftsatz an das Amtsgericht Oberndorf am Neckar - Nachlassgericht - vom 19.01.2021 hat die Beteiligte Ziff. 3 die Erteilung eines auf den inländischen unbeweglichen Nachlass beschränkten Erbscheins beantragt, wonach die Beteiligte Ziff. 2 mit einem Erbteil von 4/16 und die Beteiligten Ziff. 1, 3, 4 und 5 mit einem Erbteil von jeweils 3/16 Erben des Erblassers geworden sind. Zur Begründung wurde auf die gesetzliche Erbfolge nach dem Belegenheitsrecht, also nach deutschem Recht, verwiesen.
In der Türkei wurde der Beteiligten Ziff. 3 bereits ein Erbschein mit denselben Erbteilen erteilt.
Die Beteiligte Ziff. 2 ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe mit dem Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt, weshalb zu dem Erbteil von 1/4 gemäß § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Erhöhung gemäß § 1371 Abs. 1 BGB komme. Ihr Erbteil betrage in Bezug auf das in Deutschland belegene unbewegliche Vermögen somit entgegen dem Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 3 1/2.
Durch Beschluss vom 19.07.2021 hat das Amtsgericht Oberndorf die zur Erteilung des von der Beteiligten Ziff. 3 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wurde ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt. Das Amtsgericht hat bezüglich der Erbquote das türkische Ehe- und Güterrecht zugrunde gelegt. Diesbezüglich hat das Amtsgericht auf Art. 15 Abs. 1 EGBGB a.F. in Verbindung mit Art. 14 EGBGB in der bis zum 29.01.2019 geltenden Fassung verwiesen und ist so zur Anwendung des Art. 202 des türkischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) gekommen, mithin zum Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Dabei führe auch Art. 15 Abs. 2 TIPRG nicht zu einem anderen Ergebnis, diese Norm habe nach herrschender Meinung keine Bedeutung bei der Beurteilung der güterrechtlichen Eigentumsverhältnisse.
Gegen den ihr am 21.07.2021 zugestellten Beschluss vom 19.07.2021 wendet sich die Beteiligte Ziff. 2 mit ihrer am 04.08.2021 beim Amtsgericht Oberndorf am Neckar eingegangenen Beschwerde. Zu deren Begründung trägt sie vor, die vom Amtsgericht vertretene Rechtsauffassung halte einer Überprüfung nicht stand. Im vorliegenden Fall sei auf Grund des gewöhnlichen (dauerhaften, jahrzehntelangen) Aufenthalts in Deutschland das deutsche Recht anwendbar. Es sei hier die neue Fassung der Art. 14 und 15 EGGVG anwendbar. Das Amtsgericht Oberndorf verkenne, dass hier eine dynamische Verweisung auf den (jeweils gültigen) Art. 14 EGBGB vorliege. Entgegen dem angegriffenen Beschluss sei hier nicht davon auszugehen, dass sie - die Beteiligte Ziff. 2 - und der Erblasser im gesetzlichen Güterstand der türkischen Errungenschaftsbeteiligung lebten. Es sei hier vielmehr Art. 3 a EGBGB anwendbar mit der Folge, dass der deutsche Güterstand gelte. Die vom Amtsgericht Oberndorf am Neckar angenommene teleologische Reduktion des Art. 15 Abs. 2 TIPRG überzeuge nicht und sei rechtsfehlerhaft.
Die Beteiligte Ziff. 2 beantragt im Beschwerdeverfahren wie folgt:
Der Beschluss des Amtsgerichts Oberndorf vom 19.07.2021 wird aufgehoben. Es ist ein Erbschein dahingehend zu erteilen, dass der Erblasser von ... zu 1/2 und den sonstigen Beteiligten zu jeweils 1/8 beerbt wird.
Die Beteiligte Ziff. 3 ist der Beschwerde entgegengetreten.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Sachverhaltsdarstellung im Einzelnen wird auf den angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts, das Vorbringen der Beteiligten sowie auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II. Die gemäß §§ 352 ff., 58 ff. FamFG statthafte Beschwerde der Beteiligten Ziff. 2 hat in der Sache keinen Erfolg. Der Inhalt des von der Beteiligten Ziff. 3 beantragten Erbscheins entspricht der tatsächlich eingetretenen Erbfolge.
1. Der Erblasser war im Zeitpunkt seines Todes türkischer Staatsangehöriger. Das Erbstatut richtet sich im Verhältnis zur Türkei gemäß Art. 3 Nr. 2 EGBGB vorrangig nach den...