Leitsatz (amtlich)
›1. Bestellt im Verfahren nach § 67 e StGB der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer einen Verteidiger "für das Vollstreckungsverfahren", so gilt die Bestellung für das gesamte Verfahren bis zum Vollstreckungsende; die Beiordnung beschränkt sich nicht auf den jeweils zu entscheidenden Vollstreckungsabschnitt.
2. Bei der Verteidigerauswahl im Verfahren nach § 67 e StGB kommt dem Gesichtspunkt der Nähe des Rechtsanwalts zum Ort der Unterbringung verstärkte Bedeutung zu.‹
Verfahrensgang
LG Ravensburg (Aktenzeichen 2 StVK 245/2000 S) |
Gründe
Mit dem angefochtenen Beschluss ist der Antrag des Untergebrachten, ihm Rechtsanwalt K. aus M. für das weitere Vollstreckungsverfahren zum Pflichtverteidiger zu bestellen, zu Recht abgelehnt worden.
Der Untergebrachte ist verteidigt. Ihm ist durch Verfügung des Vorsitzenden vom 06. Dezember 1999 Rechtsanwalt G., R. von Amts wegen zum Verteidiger bestellt worden. Dieser ist im bisherigen Vollstreckungsverfahren auch schon tätig geworden. Wichtige Gründe für die Abberufung dieses Pflichtverteidigers sind nicht dargetan. Wenn der Vorsitzende es deshalb in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens abgelehnt hat, einen anderen Verteidiger zu bestellen, so ist dies nicht rechtsfehlerhaft, zumal Rechtsanwalt G. im Gegensatz zu Rechtsanwalt K. in. dem Landgerichtsbezirk ansässig ist, in dem sich die zur Unterbringung bestimmte psychiatrische Anstalt befindet. Diesem Umstand kommt in Unterbringungssachen wegen der besonderen Bedeutung des persönlichen Kontakts zum Untergebrachten verstärkte Bedeutung zu.
Soweit mit der Beschwerde vorgetragen wird, die Beiordnung des bisherigen Verteidigers habe mit der Rechtskraft des die Fortdauer der Unterbringung anordnenden Beschlusses ihr Ende gefunden, trifft dies hier nicht zu.
Rechtsanwalt G. wurde vom Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer "für das Vollstreckungsverfahren" zum Verteidiger bestellt. Schon der Wortlaut dieser Verfügung spricht gegen eine Beschränkung der Bestellung nur auf einen kurzen Abschnitt des Verfahrens; denn das Vollstreckungsverfahren läuft so lange, wie die Vollstreckung tatsächlich andauert. Gerade in Unterbringungssachen erschiene die - an sich mögliche - Beschränkung der Verteidigerbestellung auf einen kurzen Verfahrensabschnitt häufig auch eher unzweckmäßig: Der erstmals im Verfahren auftretende, mit der Sache nicht vertraute Verteidiger müsste sich von Grund auf ein Bild von der sich oft über lange Zeiträume hinweg erstreckenden Entwicklung des Untergebrachten und seiner persönlichen Situation verschaffen; auch der persönliche Kontakt zu dem Untergebrachten wäre erschwert.
Soweit in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten wird, die Beiordnung eines Verteidigers im Vollstreckungsverfahren gelte nur für den jeweils zu entscheidenden Vollstreckungsabschnitt (OLG Schleswig, Schi HA 89, 105), stimmt der Senat dem in dieser Allgemeinheit nicht zu. Für welchen Zeitraum ein Verteidiger bestellt wird, obliegt zunächst der pflichtgemäßen Ermessensentscheidung des Vorsitzenden des zuständigen Gerichts. Soweit in der zitierten Entscheidung des OLG Schleswig vom 25. November 1988 die begrenzte Wirkung der Verteidigerbestellung u. a. damit begründet wird, die Notwendigkeit einer Verteidigerbestellung müsse bei jeder Überprüfung nach § 67 e StGB neu geprüft werden, ist diese Auffassung durch die Entscheidung des EGMR vom 12. Mai 1992 überholt (StV 1993, 88). Danach ist in Verfahren, in denen es um die Fortsetzung, Aussetzung oder Beendigung der Unterbringung geistig gestörter Personen geht, stets zwingend ein Rechtsbeistand zu bestellen. Auch der Hinweis auf Parallelen im Hauptverfahren, was die Fortdauer der Gültigkeit der Verteidigerbestellung betrifft, überzeugt nicht; denn das Hauptverfahren ist, anders als das Vollstreckungsverfahren, in sehr viel stärker abgegrenzte Verfahrensabschnitte gegliedert. Hingegen ist im Vollstreckungsverfahren das Gericht zu jeder Zeit zur Überprüfung berufen, ob die weitere Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen ist; eine Bindung an die in § 67 e Abs. 2 festgelegten (Mindest-)Fristen besteht nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht. Die formelle Rechtskraft einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung hindert auch neue, die weitere Unterbringung betreffende Anträge seitens des Untergebrachten nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 3441656 |
NJW 2000, 3367 |
StV 2001, 20 |