Leitsatz (amtlich)
Der Rückführung eines von einem Elternteil nach Deutschland entführten minderjährigen Kindes nach Israel nach den Bestimmungen des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 (HKÜ) steht in Bezug auf die derzeitige Sicherheitslage in Israel die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ nicht entgegen.
Normenkette
HKÜ Art. 13 Abs. 1 lit. b
Verfahrensgang
AG Stuttgart (Beschluss vom 26.03.2024; Aktenzeichen 21 F 341/24) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stuttgart vom 26.03.2024 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Antragstellers auf Rückführung des Kindes M. I. T., geb. ...2023, nach Israel nach den Bestimmungen des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ).
1. Der Antragsteller, griechischer Staatsangehöriger, und die Antragsgegnerin, deutsche Staatsangehörige, haben am ...2019 in L., Deutschland, die Ehe miteinander geschlossen. Im Jahr 2019 lebten sie zunächst gemeinsam in den Vereinigten Staaten von Amerika. Im Oktober bzw. November 2020 zogen sie nach H., Israel, da der Antragsteller dort einen Lehrauftrag an der ... Hochschule bekam. Auch die Antragsgegnerin war, jedenfalls von Mai 2021 bis Februar 2023, in Israel berufstätig. Am ...2023 wurde in H. die gemeinsame Tochter M. geboren, die die griechische Staatsangehörigkeit besitzt.
Am 15.10.2023 unterzeichnete der Antragsteller eine Reisevollmacht, mit der er die Antragsgegnerin, die aus Kirgisistan stammt, ermächtigte, am 17.10.2023 mit der gemeinsamen Tochter nach B. in Kirgisistan zu ihrer Familie auszureisen. Die Vollmacht war befristet bis zum 31.01.2024. Am 17.10.2023 reiste die Antragsgegnerin mit der gemeinsamen Tochter nach Kirgisistan und kehrte am 12.01.2024 nach Israel zurück.
In der Folgezeit erklärte die Antragsgegnerin dem Antragsteller, dass sie den Pass von M. benötige, da sie am 06.02.2024 einen Arzttermin mit M. habe. Der Antragsteller gab der Antragsgegnerin M. Pass, den er in seinem Büro in der Universität aufbewahrt hatte. Am 06.02.2024 begab sich die Mutter ohne Kenntnis des Antragstellers zum Flughafen und flog mit der gemeinsamen Tochter nach Deutschland. Der Antragsteller entdeckte sodann zu Hause, dass die persönlichen Gegenstände und die Kleidung der Tochter und der Antragsgegnerin fehlten. Durch eigene Recherche und Einschaltung der Kriminalpolizei in Deutschland konnte er den aktuellen Aufenthaltsort seiner Tochter und der Antragsgegnerin ermitteln.
Am 07.02.2024 stellte der Antragsteller bei der Zentralen Behörde in Israel einen Rückführungsantrag nach dem HKÜ.
2. Am 21.02.2024 ging der durch seine Verfahrensbevollmächtigte eingereichte Rückführungsantrag des Antragstellers beim Amtsgericht - Familiengericht - Stuttgart ein.
Der Antragsteller ist der Ansicht, dass die Antragsgegnerin M. wieder nach Israel zurückzubringen habe, da sie das Kind widerrechtlich nach Deutschland verbracht habe. Hinderungsgründe nach Art. 13 HKÜ lägen nicht vor. Insbesondere stehe die Sicherheitslage in Israel einer Rückführung von M. nicht entgegen.
Der Antragsteller hat im ersten Rechtszug zuletzt beantragt (Antrag vom 20.02.2024 mit der im Termin vom 19.03.2024 erklärten Modifikation):
I. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, das Kind M. I. T., geboren am ...2023 in H., Israel, innerhalb von 1 Woche nach Rechtskraft des Beschlusses nach Israel zurückzuführen.
II. Kommt die Antragsgegnerin der Verpflichtung nach Ziffer I. nicht nach, so ist sie und jede andere Person, bei der sich das Kind aufhält, verpflichtet, das Kind an den Antragsteller oder eine von ihm bestimmte Person zum Zweck der Rückführung nach Haifa, Israel herauszugeben.
III. Die Antragsgegnerin wird darauf hingewiesen, dass gegen sie für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus dem zu ergehenden Beschluss ein Ordnungsgeld bis zu 25.000 EUR sowie Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gemäß § 44 Abs. 1 IntFamRVG angeordnet werden kann.
IV. Zum Vollzug von II. wird angeordnet:
1. Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, das Kind der Antragsgegnerin oder jeder anderen Person, bei der sich das Kind aufhält, wegzunehmen und dem Antragsteller oder einer von ihr bestimmten Person zu übergeben.
2. Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, zur Durchsetzung der Herausgabe unmittelbaren Zwang gegen den Antragsgegner oder jede zur Herausgabe verpflichtete Person und erforderlichenfalls auch gegen das Kind anzuwenden.
3. Der Gerichtsvollzieher wird zum Betreten und zur Durchsuchung der Wohnung der Antragsgegnerin in R. und der Wohnung jeder anderen Person, bei der sich das Kind aufhält, ermächtigt.
4. Der Gerichtsvollzieher ist befugt, die vorgenannten Vollstreckungsmaßna...