Leitsatz (amtlich)
Übt der Kläger das ihm zustehende Recht zur Wahl unter mehreren zuständigen Gerichten gem. § 35 ZPO - vorliegend i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG - dahin aus, dass er nicht im eigenen Gerichtsstand klagt, sondern bei einem auswärtigen Gericht an einem dritten Ort, der auch nicht dem Gerichtsstand des Beklagten entspricht, dann sind die Reisekosten nach Nr. 7003 und 7005 RVG-VV seines an seinem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Prozessbevollmächtigten anlässlich der Terminswahrnehmung an dem auswärtigen Gerichtsort nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und deshalb nicht erstattungsfähig gem. § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO, weil der Kläger bei der Gerichtswahl seiner Pflicht zur kostengünstigsten Prozessführung nicht nachgekommen ist.
Normenkette
UWG § 14 Abs. 2 S. 1; ZPO §§ 35, 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; RVG-VV Nrn. 7003, 7005
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 22.04.2008; Aktenzeichen 38 O 111/07 KfH) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Stuttgart vom 22.4.2008 - 38 O 111/07 KfH, abgeändert:
Auf Grund des Anerkenntnisurteils des OLG Stuttgart vom 7.2.2008 - 2 U 94/07, werden die von der Verfügungsbeklagten an den Verfügungskläger zu erstattenden Kosten der ersten und zweiten Instanz festgesetzt auf 2.630,75 EUR.
Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag des Verfügungsklägers vom 12.2.2008 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt der Verfügungskläger die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 480 EUR.
Gründe
1. Der in ... ansässige Verfügungskläger nahm die Verfügungsbeklagte mit Sitz in ... im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung einer bestimmten Widerrufsbelehrung unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsverstoßes vor dem LG Stuttgart in Anspruch und begründete dessen örtliche Zuständigkeit mit § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG. Danach sei es anerkannt, dass für Wettbewerbsverstöße im Online-Handel jedenfalls dann, wenn die Angebote sich an ein bundesweites Publikum richteten, der fliegende Gerichtsstand gegeben und damit jedes LG zuständig sei.
In zweiter Instanz erging vor dem 2. Zivilsenat des OLG Stuttgart gegen die Verfügungsbeklagte am 7.2.2008 ein Anerkenntnisurteil, Az. 2 U 94/07, mit dem dieser die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen auferlegt wurden.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 12.2.2008 verlangte der Verfügungskläger u.a. jeweils Fahrtkosten von 180 EUR und eine Tage- und Abwesenheitspauschale von 60 EUR, insgesamt 480 EUR, für die Terminswahrnehmung in den beiden Instanzen durch seinen ... Rechtsanwalt am 3.9.2007 und am 7.2.2008. Er ist der Auffassung, dass es keinen Grundsatz gebe, wonach sich der Kläger bei der Auswahlentscheidung unter verschiedenen zuständigen Gerichten das billigste heraussuchen müsse.
Die Rechtspflegerin hat dem Antrag mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.4.2008 in vollem Umfang entsprochen. Gegen die dem ... Beklagtenvertreter am 26.5.2008 zugestellte Entscheidung hat dieser am 29.5.2008 Beschwerde eingelegt wegen der zugunsten des Verfügungsklägers festgesetzten Reisekosten seines Rechtsanwalts. Er ist - wie bereits im Festsetzungsverfahren vorgebracht - der Auffassung, dass die Fahrtkosten und Abwesenheitspauschale nicht erstattungsfähig seien, weil der Verfügungskläger im eigenen Gerichtsstand in ... oder in dem der Verfügungsbeklagten in ... hätte klagen können. Wenn der Verfügungskläger sich aus taktischen Gründen für die Durchführung des Verfahrens vor dem LG Stuttgart entscheide, könne er wegen des Grundsatzes der kostengünstigen Prozessführung die hierdurch entstehenden Reisekosten nicht beim Gegner geltend machen.
Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akte dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff. ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG) und in der Sache auch begründet.
Die Reisekosten und das Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7003 und 7005 Ziff. 3 RVG-VV) sind gem. § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch den Verfügungskläger nicht notwendig waren.
Bei der Beurteilung der Erstattungsfähigkeit kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei darf ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist jedoch gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH NJW-RR 2005, 1662; GRUR 2005, 84; MDR 2004, 539; NJW 2003, 898).
Nach der Entscheidung des BGH vom 16.10.2002 (NJW 2003, 898) ist die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftssitz der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts regelmäßig als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsv...