Leitsatz (amtlich)

Sind in der Vergangenheit sämtliche Vermittlungsversuche unter Inanspruchnahme professioneller Hilfe ergebnislos gescheitert, kann eine gemeinsame elteriche Sorge von Eltern, denen es an jeglicher Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit fehlt, nicht mit der Begründung aufrechterhalten werden, dass eine Pflicht der Eltern zur Konsensfindung besteht, da dies dem Kindeswohl nicht entspricht.

 

Normenkette

BGB § 1671

 

Verfahrensgang

AG Göppingen (Beschluss vom 07.01.2016; Aktenzeichen 4 F 149/14)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Göppingen vom 07.01.2016, Az. 4 F 149/14, in Ziff. 2 der Entscheidungsformel abgeändert.

Die alleinige elterliche Sorge für die Kinder E., geb. am 13.01.2004, und M., geb. am 24.01.2007, wird auf den Antragsgegner übertragen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die Eltern der Kinder E., geb. am 13.01.2004, und M., geb. am 24.01.2007. Die Ehe der Eltern ist geschieden. Beide Kinder leben zusammen mit den beiden volljährigen Kindern der Beteiligten im Haushalt des Vaters.

Mit Beschluss vom 08.07.2013, 15 UF 117/13, hat das Oberlandesgericht Stuttgart das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder E. und M. auf den Kindesvater übertragen.

Die Antragstellerin hat mit Antrag vom 19.02.2014 im ersten Rechtszug beantragt, in Abänderung der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 08.07.2013, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind M., geb. am 24.01.2007, auf sie zu übertragen. Sie trug vor, dass M. seit dem Wechsel zum Vater "todunglücklich" sei und dass es dem Kindeswille, der erneut gerichtlich zu ergründen sei, entspreche, bei der Mutter wohnen zu wollen.

Der Antragsgegner beantragte am 21.03.2014 zum einen, den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen, zum anderen, das Recht der elterlichen Sorge für M., geb. am 24.01.2007, für E., geb. am 13.01.2004 und für die zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährige Tochter L., geb. am 12.08.1997, auf ihn zu übertragen. Der Antragsgegner ging davon aus, dass zwischen den Eltern keine vernünftige Kommunikation mehr möglich sei, weshalb ein gemeinsames Sorgerecht nicht aufrechterhalten werden könne.

Das AG hat die Eltern, die Kinder E.., M. und L., den Verfahrensbeistand und das Jugendamt Göppingen angehört. Darüber hinaus hat das AG ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt. Auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. C. vom 04.11.2015 wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 23.06.2014 hatte das AG Göppingen bereits die alleinige elterliche Sorge für das Kind L.auf den Antragsgegner übertragen. Mit Beschluss vom 07.01.2016 hat das AG unter Ziff. 1 der Entscheidungsformel den Antrag der Antragstellerin auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind M. zurückgewiesen. Unter Ziff. 2 der Entscheidungsformel hat es den Antrag des Antragsgegners auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die Kinder M. und E. ebenfalls zurückgewiesen. Das AG ging bezüglich des Antrag der Antragstellerin davon aus, dass keine Gründe vorliegen, um die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 08.07.2013 betreffend das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind M. abzuändern. Bezüglich des Antrags des Antragsgegners ging das AG zwar davon aus, dass zwischen den Eltern ein hohes Konfliktpotential bestehe, dass es aber am ehesten dem Kindeswohl entspreche, dass die Eltern unter Zuhilfenahme von Beratung bei anstehenden Entscheidungen Lösungen erarbeiten müssten, sodass eine von den Kindern abgelehnte "Gewinner-Verlierer"-Stellung in Bezug auf dieses Verfahren vermieden werden könne. Das AG schloss sich hierbei der Empfehlung der Sachverständigen Dr. C. und auch des Verfahrensbeistands an, die sich beide gegen die Übertragung einer alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater aussprachen.

Der Antragsgegner hat gegen den ihm am 18.01.2016 zugestellten Beschluss mit am 17.02.2016 beim AG Göppingen eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt, soweit sein "Widerantrag" in Ziff. 2 des angegriffenen Beschlusses zurückgewiesen wurde. Er strebt nach wie vor die alleinige elterliche Sorge für die Kinder E.und M.an, da angesichts der fehlenden Kommunikation zwischen den Eltern ein Elternteil alleine in der Lage sein müsse, die Entscheidungen für die Kinder treffen zu dürfen, um eine weitere Belastung des Kindeswohls zu vermeiden.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde des Antragsgegners abzuweisen.

Sie geht davon aus, dass es nicht gerechtfertigt sei, dem Beschwerdeführer "zum Dank dafür", dass dieser in keiner Weise mit der Antragstellerin kooperieren möchte, nun auch noch die alleinige elterliche Sorge für die Kinder M. und E. zuzusprechen. Eine solche Sorgerechtsübertragung entspräche auch nicht dem Wohl der beiden Kinder.

Der Verfahrensbeistand hält an seiner bereits im ersten Rechtszug geäußerten Auffassung fest, dass im ...

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