Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Anordnung zum Sorgerecht nach neuem Recht
Leitsatz (redaktionell)
1. Kriterien für die Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil im Verfahren der einstweiligen Anordnung.
2. Verfahren der einstweiligen Anordnung nach neuem Recht sind selbständig zu führen; eine Verbindung mit dem Hauptsacheverfahren ist nicht zulässig.
Normenkette
BGB § 1671; FamFG §§ 49, 51
Verfahrensgang
AG Esslingen (Beschluss vom 04.12.2009; Aktenzeichen 2 F 964/09) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Esslingen vom 4.12.2009 (2 F 964/09) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner. Die Kosten des ersten Rechtszugs (betreffend das Verfahren der einstweiligen Anordnung) tragen beide Elternteile je zur Hälfte.
Gegenstandswert des ersten Rechtszug und Beschwerdewert: je 1.500 EUR
Gründe
I. Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss die elterliche Sorge für die Kinder A., B. und C. im Wege der einstweiligen Anordnung auf die Antragstellerin (Kindesmutter) übertragen. Der Antragsgegner wendet sich gegen diese Entscheidung mit der Beschwerde. Er trägt vor, es gehe der Antragstellerin nur um ihre Macht, die Erniedrigung des Antragsgegners und darum, diesem die Kinder zu entziehen, die sie zu diesem Zwecke instrumentalisiere. Der Antragsgegner nehme dagegen auch seine Vaterpflichten ernst, sorge für eine ordnungsgemäße Hausaufgabenerledigung und gesundheitliche Betreuung sowie für die kulturelle Entwicklung der Kinder. Seine Vorstellungen zum Umgang wären realisierbar gewesen und hätten keine umfangreiche Änderung des bisherigen Umgangsrechts erfordert.
II. Die Beschwerde ist zulässig nach § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG und fristgerecht eingelegt, § 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Sie ist aber nicht begründet. Das AG hat zu Recht die elterliche Sorge für die drei ehelichen Söhne A., B. und C. vorläufig auf die Mutter übertragen.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 49 FamFG erfordert ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden. Das ist dann gegeben, wenn ein Zuwarten bis zur Endentscheidung das Kindeswohl nachhaltig beeinträchtigen würde. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1. Ein gemeinsames Sorgerecht erfordert eine tragfähige soziale Beziehung und ein Mindestmaß an Übereinstimmung der Eltern (BVerfG, FamRZ 2004, 354). Das ist derzeit zwischen den Eltern nicht gegeben. Das zeigen schon die Vielzahl und die Vehemenz der gegenseitigen Vorwürfe der Eltern. Es scheint kein Thema zwischen den Eltern zu geben, über das sie nicht streiten oder jedenfalls den anderen als grenzüberschreitend oder unfähig darstellen - sei es die Zahnpflege, die Gitarrenstunden und deren Bezahlung, die Vereinbarung und Wahrnehmung von Arztterminen, die anschließende Information darüber, die Anzahl der angemessenen Telefonate zwischen Kindern und Vater in den Ferien, sogar die Bezahlung der Verköstigung während des Schulfests(!). Exemplarisch für den Zustand der Elternbeziehung ist auch der Umstand, dass die Antragstellerin sich veranlasst sieht, dem Antragsgegner mitzuteilen, dass der Aufenthalt der Kinder in den Ferien bei ihr keinen Besuch darstelle, weil jene nach der am 7.7.2009 geschlossenen Vereinbarung ihren Lebensmittelpunkt sowieso bei ihr haben. Die Meinungsverschiedenheiten betreffen auch grundlegende Fragen der schulischen Entwicklung der Kinder, insbesondere von B. hinsichtlich des Besuchs des Französischzweigs seiner Schule, und der medizinischen Versorgung, insbesondere von C..
2. Die Meinungsverschiedenheiten sind so intensiv, dass das Kindeswohl dadurch gefährdet wird. Die Kinder erleben die Auseinandersetzungen, jedenfalls aber die Spannungen zwischen den Eltern zwangsläufig mit. Das kam in der richterlichen Anhörung der Kinder hinreichend zum Ausdruck. Dabei kann vorläufig dahingestellt bleiben, welcher Elternteil in welchem Streitpunkt Recht hat. Nicht ganz verständlich erscheint dem Senat allerdings der Versuch des Antragsgegners, den gerade mühsam erarbeiteten umfangreichen Umgang nach kurzer Zeit schon wieder abzuändern, unabhängig davon, ob dafür umfangreiche Änderungen notwendig gewesen wären.
3. Mit dem AG ist der Senat der Auffassung, dass deshalb vorläufig die Kindesmutter das Sorgerecht allein auszuüben hat. Die Kinder haben schon ihren Lebensmittelpunkt bei ihr. Es ist nicht bekannt, dass sie sich dort nicht wohl fühlen oder dass tatsächlich Defizite in der Betreuung und Versorgung bestehen. Es besteht kein Anlass, an dieser Situation jetzt etwas zu ändern, mag auch der Kindesvater ebenso zur Betreuung und Erziehung der Kinder geeignet sein, zumal diese Entscheidung nur vorläufig ergeht und das AG eine endgültige Bewertung nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens wird vornehmen können.
III. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Verfahren an einem Verfahrensmangel leidet. Das zunächst selbständig geführte Verfahren wegen einstweiliger Anordnung (2 F 1109/09) wurde mit Beschluss vom 17.11....