Leitsatz (amtlich)
Eine Erklärung des Angeklagten, die eine wirksame Benennung und bindende Wahl eines unbestimmten Rechtsmittels als (Sprung-) Revision begründen könnte, liegt nicht in der Erklärung: Die Begründung der Revision folgt ggf. in einem weiteren Schriftsatz
Verfahrensgang
AG Heilbronn (Aktenzeichen 23 Ds 22 Js 9627/11) |
LG Heilbronn (Aktenzeichen 4 Ns 22 Js 9627/11) |
Tenor
Das Oberlandesgericht Stuttgart erklärt sich für unzuständig.
Die Sache wird an das zuständige Landgericht Heilbronn abgegeben.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht Heilbronn am 19. Juli 2011 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu der Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Am 25. Juli 2011 legte er gegen das bezeichnete Urteil "Rechtsmittel" ein. Im zugehörigen Schriftsatz des Verteidigers ist (u. a.) Folgendes vermerkt.
"Die Begründung der Revision folgt ggf. in einem weiteren Schriftsatz."
Der Vorsitzende der Berufungskammer hat, nachdem das Amtsgericht die Sache dem Landgericht Heilbronn zugeleitet hatte, am 06. Oktober 2011 verfügt, dass das "(...) Verfahren (...) nicht als Berufung, sondern als Revision zu behandeln" sei und deshalb den Vorgang an das Amtsgericht zurückgegeben. Dieses hat daraufhin die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht veranlasst.
II.
Das Oberlandesgericht ist zur Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel nicht zuständig. Dieses ist als Berufung zu behandeln, über die das Landgericht Heilbronn zu befinden hat. Hierzu im Einzelnen:
1. Sind gegen eine gerichtliche Entscheidung mehrere Rechtsmittel zulässig, und besteht hinsichtlich der Frage, welches eingelegt werden soll bzw. wurde, Unklarheit, so ist (sind) die entsprechende(n) Erklärung(en) des Beschwerdeführers auszulegen. Maßgebend ist der Sinngehalt, wie er sich aus der Gesamtheit der gegenüber dem Gericht abgegebenen (Verfahrens-) Erklärungen und den Erklärungsumständen ergibt (Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 300 Rdnr. 3 m. w. N.). Das Rechtsmittel ist so zu deuten, dass der erstrebte Erfolg möglichst erreichbar ist; im Zweifel gilt das Rechtsmittel als eingelegt, das die umfassendere Nachprüfung erlaubt (Meyer-Goßner, a. a.O.). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen auch für den Fall einer notwendigen Auslegung von (Rechtsmittel-) Erklärungen eines als Verteidiger eingebundenen Rechtsanwalts (vgl. HK-Rautenberg, StPO, 4. Aufl., § 300 Rdnr. 8).
2. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das vorliegende Rechtsmittel als Berufung gegen die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts zu beurteilen. Hiergegen waren sowohl die Berufung (§ 312 StPO) wie auch die (Sprung-) Revision (§ 335 Abs. 1 StPO) zulässig. Der Angeklagte war deshalb berechtigt, das in Rede stehende Urteil zunächst in unbestimmter Form anzufechten. Eine Erklärung des Angeklagten, die eine wirksame Benennung und bindende Wahl des Rechtsmittels als (Sprung-) Revision begründen könnte, liegt nicht vor. Auch die bezeichnete Formulierung, zur "Begründung der Revision" im Verteidigerschriftsatz vom 25. Juli 2011 rechtfertigt eine derartige Festlegung nicht. Der in diesem Zusammenhang explizit erklärte Vorbehalt, dass entsprechende Darlegungen nur gegebenenfalls ("ggf.") erfolgen werden, lässt vielmehr darauf schließen, dass der Beschwerdeführer eine endgültige (Rechtsmittel-) Wahl zum damaligen Zeitpunkt noch nicht getroffen hatte bzw. vornehmen wollte. Mangels Vorliegen einer eindeutigen Erklärung ist das Rechtsmittel - nachdem der Beschwerdeführer auch bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist keine Fixierung seiner Zielsetzung(en) vorgenommen hat - somit als Berufung zu behandeln (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 335 Rdnr. 5 m.w.N.).
Entsprechend § 348 Abs. 1 u. 2 StPO hatte der Senat daher die Unzuständigkeit des Oberlandesgerichts auszusprechen, das Landgericht Heilbronn als das für die Durchführung der Berufung zuständige Gericht zu bezeichnen und die Sache dorthin abzugeben.
Fundstellen