Entscheidungsstichwort (Thema)
Abkürzung der gesetzlichen Höchstdauer der Führungsaufsicht. Begründungserfordernis. eingeschränkter Prüfungsmaßstab des Beschwerdegerichts. sofortige Beschwerde gegen die Begründung der Entscheidung über die Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt. Pflichtverteidigerbestellung im Vollstreckungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Macht die Strafvollstreckungskammer von ihrem nach § 68c Abs. 1 Satz 2 StGB eingeräumten Ermessen Gebrauch, die gesetzliche Höchstdauer der Führungsaufsicht abzukürzen, hat sie ihre Entscheidung auf Grundlage festgestellter Tatsachen im Beschluss zu begründen.
2. Insoweit steht dem Beschwerdegericht gemäß § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO nur ein eingeschränktes Überprüfungsrecht zu; es darf die angefochtene Entscheidung nur auf ihre Gesetzmäßigkeit hin überprüfen und darf insbesondere nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Strafvollstreckungskammer setzen.
3. Hat die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung, die gesetzliche Höchstdauer der Führungsaufsicht abzukürzen, im Beschluss nicht begründet, ist dieser insoweit aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Dauer der Führungsaufsicht an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen.
Normenkette
StGB § 67d Abs. 5, § 68c Abs. 1; StPO § 140 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Tübingen (Entscheidung vom 31.08.2017; Aktenzeichen 14 StVK 235/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - 14. Strafvollstreckungskammer - Tübingen vom 31. August 2017
aufgehoben,
soweit die Dauer der Führungsaufsicht auf vier Jahre festgesetzt wurde (Ziffer 4. des Tenors des angefochtenen Beschlusses).
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerde, an das Landgericht - 14. Strafvollstreckungskammer - Tübingen
zurückverwiesen.
Die sofortige Beschwerde gegen die Begründung der Entscheidung gemäß § 67d Abs. 5 Satz 1 StGB im Beschluss des Landgerichts - 14. Strafvollstreckungskammer - Tübingen vom 31. August 2017 wird auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unzulässig
verworfen.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bestellung von Rechtsanwältin ... als Pflichtverteidigerin im Vollstreckungsverfahren im Beschluss des Landgerichts - 14. Strafvollstreckungskammer - Tübingen vom 31. August 2017 wird auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet
verworfen.
Gründe
I.
Der Verurteilte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Ulm vom 14. April 2015 nach Maßgabe des Urteils des Landgerichts Ulm vom 8. Juli 2016, rechtskräftig seit dem 7. Oktober 2016, wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und fahrlässiger Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet.
Der Verurteilte befindet sich seit dem 28. März 2017 gemäß § 64 StGB im Maßregelvollzug im Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg, Klinik Zwiefalten.
Diagnostisch liegen beim Verurteilten "Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol : Abhängigkeitssyndroms" (ICD-10: F10.2) sowie "Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabis und Kokain : schädlicher Gebrauch" (ICD-10: F12.1 bzw. F14.1) vor.
Mit Schreiben vom 4. Juli 2017 teilte der Verurteilte mit, dass er die Therapie abbrechen wolle. Mit Stellungnahme vom 20. Juli 2017 hat das Zentrum für Psychiatrie Südwürttemberg, Klinik Zwiefalten, daraufhin angeregt, die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt mangels Erfolgsaussicht zu beenden. Die Staatsanwaltschaft Ulm hat auf dieser Grundlage am 21. Juli 2017 beantragt, die Maßregel für erledigt zu erklären. Der Verurteilte wurde hierzu am 25. August 2017 persönlich angehört. Im Rahmen der Anhörung gab er unter anderem an, die Therapie abbrechen zu wollen.
Das Landgericht - 14. Strafvollstreckungskammer - Tübingen erklärte daraufhin mit Beschluss vom 31. August 2017 die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt für erledigt. Zugleich ordnete es Führungsaufsicht für vier Jahre ab der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung an, unterstellte den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers und erteilte ihm Weisungen zur Kontakthaltung sowie zur Anzeige eines Wohnsitzwechsels oder eines Arbeitsplatzwechsels. Außerdem beschloss das Landgericht, nunmehr anstelle der Unterbringung die oben genannte Gesamtfreiheitsstrafe zu vollstrecken. Zudem lehnte das Landgericht den Antrag des Verurteilten auf Bestellung seiner Verteidigerin als Pflichtverteidigerin im Vollstreckungsverfahren ab.
Gegen diesen - dem Verurteilten am 6. September 2017 zugestellten - Beschluss hat die Verteidigerin des Angeklagten mit Schriftsatz vom 11. September 2017...